Dis Kolonialausstellung in London.
. 189
auf gewisse konstruktive Grundformen zurückgegangen,
wslche sich zwar einigermaßen an die Bildungen des
17. Jahrhunderts zur Zeit der Königin Anna an-
lehnen, aber doch eine größere Selbständigksit ge-
statten, welche erlauben, daß man in einem gewissen
allgemeinen Rahmsn dis Einzelheiten mit freierem
Belieben ausbildet. Es bliebe ja noch die Hoffnung,
daß in den Kolonien durch das Anschauen einer
ganz anderen als der europäischen Natur eine sigen-
artige Umgestaltung, eins Sättigung der alten For-
men mit neuen Lebenskräften eintreten werde, bis
jetzt habe ich aber vergebens nach irgend einer Spur
einer derartigen Regung auf den Ausstellungen ge-
sucht. Einzig aus Neu-Seeland sind eine Reihe klei-
nerer Luxusartikel gekommen, welche in Holz geschnitzt
die ursprünglichen Ornaments dsr wilden Volksstämme
benutzen; dies ist aber lediglich eine Spielerei, welchs
allenfalls den Bedarf an Geschenken und Andenken,
die man von dorther mitzubringen hat, befriedigen
kann. Auch von einer selbständigen Benutzung be-
sonderer Naturerzeugnisse, die Europa nicht benutzte,
ist kaum die Rede. Europa hat sich dereits im 16.
Jahrhundert aller der sonderbaren Erzeugnisse der
neu entdeckten Weltteile bemächtigt, und zwar gerade
in jener Zeit mit besonderer Liebe und Geschick. Jm
16. Jahrhundert waren ein Straußenei, eine Kokos-
nuh, eine Nautilusmuschel besondere Raritäten, denen
man eine Fassung in Edelmetall zuteil werden ließ,
und die Phantasie unserer Nürnberger und Augs-
burger Goldschmisde zsigt sich fast nirgends liebens-
würdiger, als wenn sie diesen fremden Naturgebilden
seltsam phantastische Gestalten als schmückende Teile
zur Seite stellt. Als einigermaßen neu möchte man
die Kasuareier aus Victoria bezeichnen; wir habsn sie
allerdings bereits 1873 auf der Ausstellung in Wien
gesehen, und auch unsere Berliner Sy und Wagner
haben uns einmal ein derartig reich gefaßtes Stück
dieser Eier von prächtig dunkelgrüner Farbe auf die
Berliner Gewerbeausstellung geschickt. Jn Melbourne
ist die Verarbeitung dieser Eier zur Spezialität aus-
gebildet, leider hat die naiuralistische Formen-
gebung, das harte Nebeneinanderstellen eines kreidigen
Silberweiß neben dunkelgrünen Schalen seit 1873
keine künstlerischen Fortschritte gemacht. Eine andere
Neuheit sind für uns die Korallen von den Bahamas
in Westindien, welche dort in ganz dünnen blatt-
artigsn und schmiegsamen Gebilden vorkommen und
zu Damenhüten gestaltet werden, die wie aus einem
eigentümlich schwefelgelben Geflecht gebildet erscheinen.
Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt in der
indischen Abteilung. Wie dieser mächtigste Besttz
Englands in seinem Verhältnis zum Mutterlande
schon äußerlich herausgehoben wird durch seine Be-
zeichnung als Kaiserreich Jndien, so hat Jndien auch
hier auf der Ausstellung in jeder Beziehung den
Ehrenplatz und giebt in der Dekoration des Ganzen
den eigentlichen Grundton an. Hier in Jndien öffnet
sich das alte Wunderland von den Ufern des Ganges,
mit seinen Säulen und Kuppeln, seinen phantastischen
Schnitzereien, seinem unendlich quellenden Reichtum
an Formen und Farben; an wunderlich geheimnis-
vollem Schnörkelwerk. Hier spiegelt sich die älteste
Kultur der Menschheit in unendlicher Vielgestaltigkeit
wieder. Dabei gst der ganze Rsichtum an Erzeug-
nissen bereits einigermaßen dem europäischen Be-
dürfnis angepaßt, man hat gelernt, die Produkte zu
verwenden, was sonst als selten und begehrenswert
in Museen sich findet, steht hier bergehoch zum
Verkauf.
Dem Jnteresse der indischen Abteilung entspricht
die vortreffliche Herstellung dersslben. Sie stößt direkt
an die große Empfangshalle und öffnet sich mit einem
kuppelartigen Vorraum, in den von allen Seiten her
Galerien und Zugänge münden. Hier beginnt die
überaus wirksame Dekoration mit bedrucktem Kattun,
mit welchem die Säulen umwickelt bis hoch zur Decke
emporsteigen; und hier beginnt die eigentümliche Er-
scheinung, welche die ganze Ausstellung beherrscht,
daß, so verschiedenartig im einzelnen die Muster der
verwendetsn Stosfe auch sein mögen, sie doch im
Grundton, in der tief goldig glühenden Farbenpracht
derart zusammengehen, daß man beliebig das eine
neben dem anderen verwsnden kann. Die Mittel-
galeris ist der eigentlich künstlerischen Produktion ein-
geräumt und vom einen Ende bis zum anderen in
eine Art von orientalischem Bazar umgewandelt. An
beiden Wänden reihen sich Arkaden, in deren bunten
Nischen die eigentlichen Waren ausgebreitet sind,
während der Mittelgang für die Besucher frei bleibt
und nur an einzelnen Stellen durch dekorative Auf-
bauten unterbrochen ist. Diese Arkaden, die aus
mehreren hundert Bogenstellungsn bestehen, sind durch
die ganze Länge der Abteilung von gleicher Höhe
und nahezu gleicher Achsenstellung, so daß der archi-
tektonische Gesamtsindruck grandioser Galerien voll-
ständig gewahrt ist. Jm einzelnen aber sind gerade
so viel Verschiedenheiten zu verzeichnen, als Provinzen,
Staaten und andere Unterabteilungen des indischen
Reiches bestehen. Jeder dieser Distrikte von sehr
verschiedenartiger Bildung und Formen hat ssine
Arkaden, die je nach der Bedeutung der Provinz von
zwei bis zu zwanzig Bogenstellungen wechseln. Da-
mit ist eine eigentümliche Ornamentation des be-
treffenden Landes hergestellt, so daß man hier eine
vollständige Übersicht der in Jndien für den Ausputz
der Häuser und Tempel gebräuchlichen Ornamen-
tationsformen bekommt. Jn vielen Fällen hat man
hierbei auf ältere berühmte Bauwerke als Vorbilder
zurückgegriffen. Einzelne Arkaden sind einfach aus
Balkenwerk mit einigen mäßigen Verzierungen oder
auch aus einem Gefügs von Bambusstäben herge-
richtet, die meisten dagegen sind reich geschmückt, zier-
lichste Schnitzerei umspielt den Schaft der Säulen
und die krönenden Glieder, in einzelnen Fällen sind
kostbare Holzarten um das harts schwarze „blaelc
vooä" verwendst und Farben und Gold sind nicht
gespart. Kashmir hat seine miniaturartig gemalten
Lacktäfelchen in die Felder eingelassen, Benares stei-
gsrt die Pracht bis zur wirklichen Jntarsia, deren
graziöses Blattornament mit Elfenbein in schwarzen
Ebenholzgrund eingelegt ist. Viele der Provinzen
haben sich mit dieser glänzenden Fassade nicht einmal
begnügt, sondern auch noch dis Schranken, welche die
Abteilungen nach innen hin abgrenzen, mit ähnlichem
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auf gewisse konstruktive Grundformen zurückgegangen,
wslche sich zwar einigermaßen an die Bildungen des
17. Jahrhunderts zur Zeit der Königin Anna an-
lehnen, aber doch eine größere Selbständigksit ge-
statten, welche erlauben, daß man in einem gewissen
allgemeinen Rahmsn dis Einzelheiten mit freierem
Belieben ausbildet. Es bliebe ja noch die Hoffnung,
daß in den Kolonien durch das Anschauen einer
ganz anderen als der europäischen Natur eine sigen-
artige Umgestaltung, eins Sättigung der alten For-
men mit neuen Lebenskräften eintreten werde, bis
jetzt habe ich aber vergebens nach irgend einer Spur
einer derartigen Regung auf den Ausstellungen ge-
sucht. Einzig aus Neu-Seeland sind eine Reihe klei-
nerer Luxusartikel gekommen, welche in Holz geschnitzt
die ursprünglichen Ornaments dsr wilden Volksstämme
benutzen; dies ist aber lediglich eine Spielerei, welchs
allenfalls den Bedarf an Geschenken und Andenken,
die man von dorther mitzubringen hat, befriedigen
kann. Auch von einer selbständigen Benutzung be-
sonderer Naturerzeugnisse, die Europa nicht benutzte,
ist kaum die Rede. Europa hat sich dereits im 16.
Jahrhundert aller der sonderbaren Erzeugnisse der
neu entdeckten Weltteile bemächtigt, und zwar gerade
in jener Zeit mit besonderer Liebe und Geschick. Jm
16. Jahrhundert waren ein Straußenei, eine Kokos-
nuh, eine Nautilusmuschel besondere Raritäten, denen
man eine Fassung in Edelmetall zuteil werden ließ,
und die Phantasie unserer Nürnberger und Augs-
burger Goldschmisde zsigt sich fast nirgends liebens-
würdiger, als wenn sie diesen fremden Naturgebilden
seltsam phantastische Gestalten als schmückende Teile
zur Seite stellt. Als einigermaßen neu möchte man
die Kasuareier aus Victoria bezeichnen; wir habsn sie
allerdings bereits 1873 auf der Ausstellung in Wien
gesehen, und auch unsere Berliner Sy und Wagner
haben uns einmal ein derartig reich gefaßtes Stück
dieser Eier von prächtig dunkelgrüner Farbe auf die
Berliner Gewerbeausstellung geschickt. Jn Melbourne
ist die Verarbeitung dieser Eier zur Spezialität aus-
gebildet, leider hat die naiuralistische Formen-
gebung, das harte Nebeneinanderstellen eines kreidigen
Silberweiß neben dunkelgrünen Schalen seit 1873
keine künstlerischen Fortschritte gemacht. Eine andere
Neuheit sind für uns die Korallen von den Bahamas
in Westindien, welche dort in ganz dünnen blatt-
artigsn und schmiegsamen Gebilden vorkommen und
zu Damenhüten gestaltet werden, die wie aus einem
eigentümlich schwefelgelben Geflecht gebildet erscheinen.
Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt in der
indischen Abteilung. Wie dieser mächtigste Besttz
Englands in seinem Verhältnis zum Mutterlande
schon äußerlich herausgehoben wird durch seine Be-
zeichnung als Kaiserreich Jndien, so hat Jndien auch
hier auf der Ausstellung in jeder Beziehung den
Ehrenplatz und giebt in der Dekoration des Ganzen
den eigentlichen Grundton an. Hier in Jndien öffnet
sich das alte Wunderland von den Ufern des Ganges,
mit seinen Säulen und Kuppeln, seinen phantastischen
Schnitzereien, seinem unendlich quellenden Reichtum
an Formen und Farben; an wunderlich geheimnis-
vollem Schnörkelwerk. Hier spiegelt sich die älteste
Kultur der Menschheit in unendlicher Vielgestaltigkeit
wieder. Dabei gst der ganze Rsichtum an Erzeug-
nissen bereits einigermaßen dem europäischen Be-
dürfnis angepaßt, man hat gelernt, die Produkte zu
verwenden, was sonst als selten und begehrenswert
in Museen sich findet, steht hier bergehoch zum
Verkauf.
Dem Jnteresse der indischen Abteilung entspricht
die vortreffliche Herstellung dersslben. Sie stößt direkt
an die große Empfangshalle und öffnet sich mit einem
kuppelartigen Vorraum, in den von allen Seiten her
Galerien und Zugänge münden. Hier beginnt die
überaus wirksame Dekoration mit bedrucktem Kattun,
mit welchem die Säulen umwickelt bis hoch zur Decke
emporsteigen; und hier beginnt die eigentümliche Er-
scheinung, welche die ganze Ausstellung beherrscht,
daß, so verschiedenartig im einzelnen die Muster der
verwendetsn Stosfe auch sein mögen, sie doch im
Grundton, in der tief goldig glühenden Farbenpracht
derart zusammengehen, daß man beliebig das eine
neben dem anderen verwsnden kann. Die Mittel-
galeris ist der eigentlich künstlerischen Produktion ein-
geräumt und vom einen Ende bis zum anderen in
eine Art von orientalischem Bazar umgewandelt. An
beiden Wänden reihen sich Arkaden, in deren bunten
Nischen die eigentlichen Waren ausgebreitet sind,
während der Mittelgang für die Besucher frei bleibt
und nur an einzelnen Stellen durch dekorative Auf-
bauten unterbrochen ist. Diese Arkaden, die aus
mehreren hundert Bogenstellungsn bestehen, sind durch
die ganze Länge der Abteilung von gleicher Höhe
und nahezu gleicher Achsenstellung, so daß der archi-
tektonische Gesamtsindruck grandioser Galerien voll-
ständig gewahrt ist. Jm einzelnen aber sind gerade
so viel Verschiedenheiten zu verzeichnen, als Provinzen,
Staaten und andere Unterabteilungen des indischen
Reiches bestehen. Jeder dieser Distrikte von sehr
verschiedenartiger Bildung und Formen hat ssine
Arkaden, die je nach der Bedeutung der Provinz von
zwei bis zu zwanzig Bogenstellungen wechseln. Da-
mit ist eine eigentümliche Ornamentation des be-
treffenden Landes hergestellt, so daß man hier eine
vollständige Übersicht der in Jndien für den Ausputz
der Häuser und Tempel gebräuchlichen Ornamen-
tationsformen bekommt. Jn vielen Fällen hat man
hierbei auf ältere berühmte Bauwerke als Vorbilder
zurückgegriffen. Einzelne Arkaden sind einfach aus
Balkenwerk mit einigen mäßigen Verzierungen oder
auch aus einem Gefügs von Bambusstäben herge-
richtet, die meisten dagegen sind reich geschmückt, zier-
lichste Schnitzerei umspielt den Schaft der Säulen
und die krönenden Glieder, in einzelnen Fällen sind
kostbare Holzarten um das harts schwarze „blaelc
vooä" verwendst und Farben und Gold sind nicht
gespart. Kashmir hat seine miniaturartig gemalten
Lacktäfelchen in die Felder eingelassen, Benares stei-
gsrt die Pracht bis zur wirklichen Jntarsia, deren
graziöses Blattornament mit Elfenbein in schwarzen
Ebenholzgrund eingelegt ist. Viele der Provinzen
haben sich mit dieser glänzenden Fassade nicht einmal
begnügt, sondern auch noch dis Schranken, welche die
Abteilungen nach innen hin abgrenzen, mit ähnlichem