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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 5.1889

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Heft 5
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Drach, Karl Alhard von: Beiträge zur Geschichte der Kunsttöpferei, [11]
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Bötticher, Georg: Ein Wort zur Stilfrage
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https://doi.org/10.11588/diglit.3586#0086

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Ein Wort zur Stilfrage,

Daß cilles, was in dieserPreisliste aufgesiihrt
steht, eigentliche Fayence und überdies blau oder
bunt dekorirte gewesen sei, ist nicht anzunehmen;
Beckmann giebtan, manhabesich1793 zu Mnnden
auch anf die Fabrikation von sog. englischem
Steingut in größerem Maßstabe eingerichtet,
nnd ist es dahcr sehr wahrscheinlich, daß dieses
gelblich-weiße Geschirr, ivelches in Kassel be-
reits seit 1776 in der„Gelben Steinsayen ce
fabriqne" hergestellt wnrde, anch in Münden
schon vor dem angegebenen Zeitpnnkt angefertigt
worden ist.

Die Mündischc Steingntfabrikation sollte
im Anfang dieses Jahrhnnderts noch eine
weitere Konkurrenz im Hessischen erhalten; ein
gewisser Peter David Bilcke, früher Werk-
meister in der von Hansteinschen Fabrik, suchte
im Jahr 1803 bei der Regiernng zu Kassel
nach wegen Aufnahme in die hochfürstl. hessischen

Lande behnfs Etablirung ciner Stcingntfabrik
in Blickershansen, einem ohnweit von
Münden dicht an der hannöverschen Grenze
im hessischen Amt Witzenhausen gelegenen
Dorfe. Nachdem derselbc eidlich die Zusicherung
gegcben hatte, nicht etwa nnr Mündener Waren
über die Grenze schmnggeln, sondern selbst das
Steingnt fabriziren nnd cine eigene Fabrikmarke
fiihren zn wollen, ivnrde ihm die Niedcrlassnng
daselbst gestattet nnd vom Landgrafen ein
Privilegium crteilt. Jndessen erscheint eszweifel-
haft, ob die Fabrik bei den geringen Mittelu,
über welche Bilcke verfügte, (ein von ihm er-
betener Vorschnß auf sein schon stark mit
Hypotheken belastetes Besilstum war von seiten
der hessischen Regierung verweigert worden)
überhanpt zn stande konimen und einen länge-
ren Bestand haben konnte.

Lin IDort zur ^tilfrage.

Don Georg Bötticher.

Wer den Mangel an einem originalen Stil
im Kunstgewerbe unserer Zeit beklagt, dessen
Gedanken werden immer und immer wieder an
der Beantwortnng der Frage sich abmühen:
Wie könnten wir zu einem solchen gelangen?

Die mannigfachsten Vorschläge sind in die-
ser Hinsicht gethan nnd befolgt worden und haben
— auch wenn wir von dem hochkomischen
Prcisausschreiben weiland König Ludwigs ab-
sehen — zu keinem nennenswertem Erfolge
geführt. Selbst das scheinbar nntrüglichste Re-
zept, einen originalen Charakter in der Kom-
position zu erzielen, das nämlich: die Gestaltung
irgend welches Gebrcinchsgegenstandes, eincs
Stuhles z. B. ohne alle Anlehnnng an Vor-
bilder, rein anf Grnnd eingehenden Stndiums
der Funktionen eines solchen Möbels vorzu-
nehmen und dann erst, unter Wahrung der
praktischen Anwendbarkeit, demselben eine wohl-
thuende Form zu geben — selbst dieses dcm
denkenden Menschen in der That nächstlie-
gende Mittel hat wohl originelle aber nicht
originale, d. h. stilistisch wahrhaft neue Schöp-
fungen zn Tage gefördert.

Da gegen das System dieser Komposi-
tionsweise an nnd siir sich nichts einznwenden

ist, entsteht die Frage: Woher trotzdem der
Mißerfolg?

Die Antwort lantet cinfach: Wir sind nnn
einmal mit Kenntnissen von den verschiedcnstcn
Stilarten so gänzlich übersiillt, so vollstnndig
in der Formensprache aller mvglichen Epochen
bewandert und bcfangen, daß nns originale,
naive Einfällc gar nicht mehr kommen können,
daß nnsere Kompositionen, aller Vornahme nnd
Absicht zum Trotz, unwillkürlich, in dieser oder
jener Stilweisc sich gestalten müssen, daß sie,
selbst wenn wir nns zwingen wollen, original
zn sein, zuletzt doch daranf hinanslaufen, dcn
Charakter irgend welcher Stilepoche nachzuahmen,
wenn sie nicht gar — was am hänfigstcn, ja
wohl meistens der Fall ist — Sammelsurien
von Formen aller möglichen Stilc, von mehr
oder minderem Geschmacke sind.

Entsteht die weitere Frage: Wie wäre
diesem alles Originale erstickcnden Reichtnm
an Stilkenntnissen, diescm Ansturm von Formen
vergangencr Epochen anf die künstlerische Phan-
tasie des Moderncn zn wehren?

Ilnd hier ist die Antwort nicht so leicht
wie bei der vorhergehenden Frage zn formnlircn.

Gewonnener Bildnng sich plötzlich zn cnt-
 
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