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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 5.1889

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Heft 5
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Bötticher, Georg: Ein Wort zur Stilfrage
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Bücherschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.3586#0088

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76

Bücherschau.

weit mehr die Schönheiten der Antike bewußt
werden mnssen und daß er andernteils nnr so
seine Jndividualität, wenn er sonst eine hat, zu
behanpten vermögen wird.

Diese Erkenntnis ist der verzierenden
Kunst seltsamer Weise noch nicht gekommen.
Noch immer wird den Schnlern gleichzeitig mit
dem Naturzeichnen oder anch wohl gar vor
diesem und leider in gar keiner Beziehnng zu
demselben der überlieferte Formenschatz aller
Stilarten in den Kopf getrichtert, bis dann
beim Abgange von der Schule, vor lanter
Bildung jede originale Änßerung gliicklich in
ihnen erstickt ist und sie befähigt sind, in jedem
erdenklichen Stile zu entwerfen, nur nicht in
dem, der ihnen am nächsten läge, in einem
eigenen.

Das aber wird stets das einzig-wahre
System des verzierenden Künstlers bleiben, wie
es das einzig-wahre der Künstler früherer
Epochen von ungetrübtem Stilgefühl war: die
Naturformen gleich auf ihre Verwend-
barkeit als Verzierungsmotive zu be-
trachten nnd nicht im Gegensatz zu den
Ornamentformen zu sehen. Soll die Ju-
gend, die sich der Ansübnng verzierender Kunst

widmet, für diese einzig - richtige Auffassung
wieder gewonnen, der Stil, den Anforderungen
unserer Zeit eutsprechend, wirklich gründlich
umgemodelt und ein im bcsten Sinne moderner
werden, so müsseu die Kunstgewerbeschulen das
Hauptgewicht auf eine gründliche Beleh-
rnng und Aufkläruug der Schüler über
die Form in ihrem Verhältnis zu der
verzierenden Kunst und auf ein unans-
gesetzt zu betreibendes Studium der
Naturformen mit Beriicksichtigung ihrcr
direkten Verweudung zu Verzierungs-
zwecken legeu uud dann erst, wenn der Schüler
ganz in diesem Wichtigsten gefestigt ist, ihn mit
dcn besten Motiven vergangener Stilarten be-
kannt machen.

Dem Zng der Zeit, dränge cr nun nach
Renaissance oder Rokoko hiu, ja selbst der
Biode innerhalb dieser Formensphären, wider-
setzt sich der einzelne stets erfolglos. Aber eiu
ganzes, heraufwachsendes Geschlecht wird Mittel
und Wege finden, seine Ansichten nach und nach
geltend zu machen, sofern es nur iu den Stand
gesetzt ist, eigne Ansichten zu haben und dicse
Ansichten einc wirkliche Weitcrcntwicklung des
Formenlebens bedenten.

Vücherschau.

v.

LI. Vuksolc>§ri.s, 1'L.rk ollinois. Paris, Quan-
tin. Mit 150 Jllustrationen.

?. Die Beschäftigung mit der Kunst
der Japaner und die Freude an ihren Erzeug-
nissen hat das Jnteresse und die Teilnahme
an der chinesischen Kunst immer mehr und mehr
zurücktreten lassen. Allerdings fehlt auf diesem
Gebiet ein Führer, der dort unerläßlich ist, wo
die in Europa zumeist verbreiteten Kunstwerke
der späteren Epochen eine nicht leicht verständ-
liche Sprache reden. Ein solcher Führer soll
nnd will der vorliegende Band der Ouantin-
schen „Lillliotllägue äs l'sussiAuewsnt äes lleaux
arts^ sein, der im gewohnten Gewand vorliegt.
Der Verfasser, lange Zeit als Sekretär der
französischen Gesandtschaft zu Peking zugeteilt,
hat den Aufenthalt im Reich der Mitte zu
eingehenden Studien benutzt; auch gewährten
ihm die Sammlungen und Bibliotheken zu
Paris und London — auch die Benutzung der

Berliner Sammlungen, die u. a. die wertvollen
Kollektionen des kaiserlichen Gesandteu vou
Brandt enthalten, würde fiir das Bnch von
Nützen gewesen seiu — reiche Ausbcute. Sv
ist es denn uicht zu verwuudern, daß das Buch
im einzelnen eine Fiille von neuen, interessanten
und wichtigen Mitteilungcn enthält, im ganzen
einen vollstäudigen Überblick über die einzelneu
Zweige der chinesischen Künste in ihrer histo-
rischeu Entwicklung enthält.

Der chinesischen Kunst ist es ergangen nud
ergeht ihr noch wie früher der ägyptischcn:
man hat ihre Leistungen als den künstlerischen
Ausdruck eines im Kastengeist erstarrten Volkcs
angesehen, durch äußere Fesseln geknebelt, er-
starrt nnd ohne Vermögen, eine höhere Stnfe
der Entwicklung zu erklimnien. Die Fnnde der
neuesten Zeit iu Ägyptcu haben gezeigt, daß
die Kunst des Landes ganz nnders zu bcur-
teilen ist, daß sie eine anßerordentliche Ent-
wickluug aufzuweisen hat, wclche wir heute sehr
 
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