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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 1.1890

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Hofmann, Albert: Nordböhmische Kunstindustrien, [4,2]: die nordböhmische Hohlglasindustrie
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https://doi.org/10.11588/diglit.3941#0020

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NORDBÖHMISCHE KUNSTINDUSTRIEN.

tischen Auslande fand infolge des Religionszwanges
nicht statt. Doch mit Maria Theresia und Joseph U.
kam eine neue Ära herauf, eine Ära der Blüte, an
welcher der Verlust Schlesiens an Preussen nicht
den geringsten Anteil hatte. Industrie und Handel,
fast ausschliesslich durch Deutschhöhmen gepflegt,
lebten wieder auf. Die Glasfabrikation errang in
diesen Zeiten ihren Weltruf. Die Bezirke Haida,
Steinschönau und Gablonz mit Neuwelt prädominiren.
In diesen Bezirken blühen Raffinerie wie Handel.
1680 entsteht eine Hütte zu Harrachsdorf, 1690 die
„Neuhütte" bei Prichowitz und 1701 die Hütte in
St. Antoniwald an der Iser. Diese Daten werden
bestätigt durch eine Semiler Urkunde vom 24. Juni
1707, mit welcher Graf Ferdinand Ignaz Desfours
erklärt, dass seine „lieben und getreuen Unterthanen
Christian und Gottfried Preussler in unlängst abge-
littenem J699. Jahre, den 1. Juni, bei dem vor
etlichen Jahren' angelegten Dorfe Balaun (Polaun)
ein Stück Wald abgekauft, wie denn auch anjetzt
am 13. Juni laufenden 1701. Jahres abermalen noch
ein Stück Boden und Wald zur Erbauung einer
neuen Glashütte, St. Antoniwald an der Iser ge-
nannt, käuflich an sich gebracht." (Hallwich, 1. c.
S. 31 und Anmerkung.)

Alle diese Hütten waren meistenteils nach dem
ältesten Vorbilde noch leichte schuppenäbnliche Ge-
bäude, weit ab von den Verkehrsstrassen, inmitten
dichter Wälder stehend. Erst mit der zunehmenden
Verbesserung der Verkehrsmittel, insbesondere seit
Anlegung guter fahrbarer Strassen entschloss man
sich zur Anlage ansehnlicher Glasfabriken in mo-
numentalen Gebäuden an den verkehrsreichsten
Punkten.

So entstand in einem malerisch schönen Thale
des Riesengebirges, zwischen dem Milnitz- und
Murmelbache die Graf Harrach'sehe Glashütte, welche
ausser 350 Arbeitern ohne die Holzschläger 130 mit
der Raffinerie des Glases beschäftigte Arbeiter und
ausserdem noch die meisten Insassen der Ortschaften
Neuwelt, Harrachsdorf und Seifenbach mit 1S00
Seelen, teils durch Tagarbeit, teils durch Holzfällen
einen Erwerb finden lässt. Die ersten Nachrichten
über die Fabrik stammen aus der Mitte des 16. Jahr-
hunderts; um 1550 wurde von einem gewissen
Donath zu Niederrochlitz eine Glashütte erbaut, die
im Laufe der Zeit nach Sahlenbach und einige Zeit
darauf nach Seifenbach verlegt wurde, angeblich
wegen Holzmangel. In letzterem Orte wurde sie von
den Gebrüdern Müller, von welchen der eine Seel-
sorger war, umgebaut und erhielt daher ihren Namen

„Pfaffenhütte". In Seifenbach wurde die Hütte bis
1732 betrieben, dann nach Neuwelt verlegt und hier
wieder bis 1764 durch den einen der Brüder be-
trieben. In diesem Jahre erwarb Graf Ernst Guido
von Harrach die Hütte um 3400 fl. und betrieb sie
selbst. Im Verlaufe des 18. Jahrhunderts eröffnete
sich dann die Hütte den türkischen Markt, der haupt-
sächlich mit halbgeschliffenen, geschnittenen und
vergoldeten Glasgattungen beschickt wird. Die
Haidaer Handelshäuser Hölzel, Knechtel und Vogel,
welche Glasniederlagen in Konstantinopel und Smyrna
errichtet hatten, entzogen indessen der Harrachschen
Hütte die Kundschaft für das raffinirte Glas. Auch
noch in anderer Richtung bereiteten sich Verhält-
nisse vor, welche für die Fabrik schädigend werden
sollten: nach und nach zogen sich Rochlitzer und
Neuweiter Maler in die Gegend von Haida, um dort
ihr.Geschäft mit mehr Gewinn zu treiben. Daneben
aber bildete sich noch eine Gesellschaft von Glas-
malern, welche besonders den Handel nach Russland
und Polen zu kultiviren suchten, ein Unternehmen,
welches, wenn es auch schliesslich an Mangel jeg-
licher Mittel und Energie scheiterte, der Fabrik doch
zahlreiche Aufträge entzog. Da die Bestellungen
auch anderweitig abnahmen, so entschloss sich der
Besitzer, die Fabrik in Pacht zu geben. 1788 über-
nahm sie Anton Erben; doch scheint auch er wenig
Erfolg gehabt zu haben, denn als er 1795 starb,
konnte kein Pächter als Nachfolger gefunden werden,
weshalb sich Johann Graf von Harrach schon mit
dem Gedanken trug, die Fabrik ganz eingehen zu
lassen. Indessen der damalige Herrschaftsinspektor
Martin Kaiser, eine unternehmender und weitblicken-
der Mann, wusste den Grafen zu bestimmen, noch
einen Versuch mit eigener Regie zu machen. Der
Versuch gelaug so günstig, dass man sich nicht nur
zum Fortbetrieb entschloss, sondern, dass sich die
Fabrik allmählich auf eine solche Höhe herauf-
arbeitete, dass sich die Regierung 1803 veranlasst
sah, die Leiter auszuzeichnen. Von da an steigerten
sich die Erfolge der Fabrik ■ stetig und eigene Er-
findungen oder glückliche Nachahmungen verschaff-
ten ihr einen weithin geachteten Ruf. Die Erzeugung
von farbigem Glas vom Jahre 1732 ab, von Bein-
glas und von gemalten und vergoldeten Gläsern von
1780 ab fiel noch in die Zeit der Ratlosigkeit.
Jedoch 1814 war ihre Krystallerzeugung eine vor-
zügliche; 1826 gelang es der Fabrik, die von den
Franzosen erfundene Einglasung von Pasten mit
Glück nachzuahmen; 1828 wurde das rubinplattirte
Glas (wohl Uberfangglas) zuerst dargestellt. Es
 
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