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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 1.1890

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Riegl, Alois: Die Wirkerei und der textile Hausfleiss
DOI Artikel:
Böck, Rudolf: Ein Meisterwerk der Schmiedeeisenkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.3941#0034

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DIE WIRKEREI UND DER TEXTILE HAUSFLEISS.

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sehen Stilisirungen von Vierfüsslern und Vögeln, die
sich übrigens ganz in derselben Weise auch auf
spätantiken Stücken aus Ägypten finden. Auch im
Ornamentalen finden sich Berührungspunkt« mit den
gefundenen Resten antiker Wirkereien, ebenso wie
mit den eigenartigen orientalischen Abkömmlingen
dieser letzteren.

Einige Proben figuraler Gobelins bei Grosch
beweisen, dass auch dieses höhere Genre der Wir-
kerei in früheren Jahrhunderten in Norwegen ge-
übt wurde. Solche Gobelins heischen immer eine
Beurteilung vom Standpunkte von Wand- oder Tafel-
gemälden, mit denen sie ja konkurriren wollen. So
betrachtet können die vorliegenden norwegischen Go-
belins freilich nicht den gleichen Beifall finden, wie
die rein ornamentalen Teppiche. Ein ganz beson-
deres kunstgeschichtliches Interesse beansprucht aber
Tafel I mit dem Überreste eines Wandbehangs, den
Grosch — meiner Meinung nach vollkommen richtig
— ins 12. Jahrhundert datirt. Die zwei dort dar-
gestellten Figuren unter Rundbogenstellungen, deren
ikonographische Deutung Grosch nicht versucht hat,
sind ohne Zweifel einem Monatscyklus entlehnt und
repräsentiren die Monate April und Mai, was auch
durch eine entsprechende Lesung der arg verball-
hornten Beischriften auf den Arkaden bestätigt wird.
Dem ikonographischen Charakter der Figuren nach
ist der Teppich französischer Herkunft, wofür ich
den Beweis an anderer geeigneterer Stelle ausführen

will. Den Textilgeschichtsforscher interessirt aber
daran vornehmlich der unzweideutige Anklang an
spätantike Wirkereien: vor allem der in einer Wellen-
linie aufsteigende Baum mit den dreiteiligen Blättern,
deren zwei den Kelch bildende Teile volutenartig ge-
krümmt sind; die Ausfüllung des freibleibenden
Grundes mit Streumustern, namentlich mit den Vögeln;
das aus aneinandergereihten Dreiecken gebildete Or-
nament im mittleren Zwickel und insbesondere am
oberen Rande der laufende Hund, aus zwei ineinander
greifenden Wellenreihen genau so zusammengesetzt,
wie er das gewöhnlichste Saumornament an den
Borten und Einsätzen der spätantiken Funde aus
Ägypten bildet. — Dieser in einer norwegischen
Kirche aufgefundene und im 12. Jahrhundert in
Frankreich gewirkte Teppich erscheint mir als ein
neuerlicher Beweis, dass die in den burgundischen
und französischen Gobelins später zu grossen Ehren
gekommene Technik von spätantiker Zeit her auf
europäischem Boden niemals ganz erloschen ist und
somit auch der Wiedereinführung aus dem Orient
durch die Kreuzfahrer gar nicht bedurfte. Dass sich
gerade in Frankreich ihre Spuren so weit zurück-
verfolgen lassen, wird daraus zu erklären sein, dass
die spätantike Kultur nordwärts der Alpen eben auf
gallofränkischem Boden am wenigsten gewaltsame
Unterbrechung durch die Stürme der Völkerwande-
rung erlitten hat, weshalb auch gerade auf diesem
Boden die karolingische Kultur erwachsen konnte.

EIN MEISTERWERK DER SCHMIEDEEISENKUNST.

MIT ABBILDUNG.

WISCHEN Baden und Vöslau in-
mitten grünender Weingärten, aus
denen man die Perle unter Öster-
reichs Weinen keltert, liegt still
das uralte Soos (das mittelhoch-
deutsche Silz), mit seiner ro-
niimischen, leider stark verrestaurirten Kirche, die
rings noch ihren Wall und Graben hat, der aber
heute nur mehr von Schilf und Schwertein ver-
teidigt wird, aber auch damals, als er noch besser
bewehrt war, in der grausen Türkeuzeit dem guten

Nest wenig nützte, da alles, was das Gotteshaus und
einstmalige Benediktinerkloster an Kostbarem besass,
in Rauch und Flammen aufging. Das war 1683.

Erst nach und nach erholte sich das Dörfchen
wieder, und zu Beginn des vorigen Jahrhunderts fand
es laut der auf unserem schönen Grabkreuz ange-
brachten Inschrift einen „Gutteter zu seinem Gottes-
haus" in einem Wiener Bürgermeister und Glocken-
giesser, dessen Namen aber das unerbittliche Wetter
trotz des festen Eisenkastens am Kreuz verwischt
hat, nicht einmal der Taufname ist mit Sicherheit


 
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