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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 1.1890

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Diner, Joseph: Die Sammlung Karasz
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https://doi.org/10.11588/diglit.3941#0105

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DIE SAMMLUNG KARASZ.

VON JOSEPH DINER.

MIT ABBILDUNGEN.

IE Sammlung Känisz in Budapest
war, muss man leider heute sagen,
nicht gerade durch ihre Stückzahl
hervorragend — sie enthielt etwa
hundert Stücke — aher dadurch
charakteristisch, dass sie Gegen-
stände fast aller Epochen und Geschmacksrichtungen
enthielt und fast jedes Stück den Sammler von gr
Feinftililigkeit und ausgezeichnetem Geschmacke
verrät.

Eine kurze Übersicht des Inventars der Samm-
lung giebt die beste Charakteristik derselben.

Die vorgeschichtliche Zeit und die Epoche der
Völkerwanderung sind durch 15 Stücke vertreten.
Es sind durchweg Goldgegenstiinde, zumeist ungari-
schen Ursprungs, fast durchgehend charakteristische
und schöne Stücke.

Ägypten ist zwar nur durch einen Ring ver-
treten, derselbe stammt aber aus der vierten Pyra-
mide — der des Königs Moncfera — und trägt eine
Inschrift mit königlichen Insignien.

Die romanische Periode ist durch einen inter-
essanten Bronzeleuchter vertreten, der aus der Kirche
von Lodi stammen soll, und durch eine getriebene
und zum Teil vergoldete Silberschale.

In der Goldschmiedeausstellung in Budapest war
eine ganze Suite solcher Schalen derselben Arbeit
zu sehen. Der Katalog hat dieselben ohne weitere
Bemerkung dem M.—15. .lahrhundert zugesprochen,
während die Pariser Publikation von einem direkten
orientalischen Ursprünge spricht. Meinem Ermessen

oach stammen diese Arbeiten, die eine Mischung

orientalischer und romanischer Motive zeigen, aus
dem Ende des H>. oder Anfang des 17. Jahrhunderts.

Hierfür sprechen verschiedene Umstände. Zunächst
KumtBOWorbeblatt N. F. I.

die Art der Arbeit. Die Darstellungen sind im
Hochrelief herausgetrieben, sehr scharf konturirt,
und zeigen an einzelnen Stellen Spuren von Per-
spektive , was weder hei orientalischen noch bei
romanischen Arbeiten je der Fall ist. Sodann ist es
sehr unwahrscheinlich, dass ungarische oder deutsche
Goldschmiede vor Ende des 16. oder Anfang des
17. Jahrhunderts mit orientalischen Arbeiten schon
so bekannt gewesen sein sollen, um sich von ihnen
so stark beeinflussen zu lassen, wie es in diesen Ar-
beiten geschehen ist. Endlich trägt unsere Schale
zwei Stempel, die ganz entschieden für den Beginn
des 17. Jahrhunderts sprechen, nämlich eine Zick-
zacklinie und einen Pinienzapfen, der dem bekannten
Beschauzeichen der Stadt Augsburg ganz ähnlich ist,

Meiner Ansicht nach haben die betreffenden
Goldschmiede bei diesen Arbeiten die Absicht ge-
habt. Arbeiten von altertümlichem Geschmack her-
zustellen. Da sie aber mit den echten alten Mo-
tiven nicht vollkommen vertraut waren, benutzten sie
auch orientalische Motive, die ihnen zu jener Zeit
-ehr nahe lagen und dennoch im allgemeinen fremd
und veraltet erschienen. Den historisch ungeschul-
ten Augen jener Goldschmiede mögen wohl oft die
romanischen und die orientalischen Motive als gleich
erschienen sein.

Besonders zahlreich vertreten ist in der Samm-
lung die Kenaissancezeit und zwar in allen Ab-
stufungen von der Frührenaissance bis zum Rokoko.

Unter den Kenaissancewerken ragen besonders
die Emailarbeiten hervor, von denen ein Teil schon
in der Pariser Publikation veröffentlicht ist.

An erster Stelle sieht das grosse Vortragskreuz
der Seideiiweberzunft von Florenz (siehe Chefs
d'oeuvres etc. Tome 11, pag. 39). Ein Meisterstück

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