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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 1.1890

DOI Artikel:
Scherer, Christian: Beiträge zur Geschichte der Kunsttöpferei, [11]: Fürstenberger Porzellanfiguren im Herzoglichen Museum zu Braunschweig
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https://doi.org/10.11588/diglit.3941#0140

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BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE DER KUNSTTÖPFEREI.

XI. Fürstenb erger Porzellanflguren im Herzoglichen Museum zu Braunschweig.

VON Dr. GER. SCHERER.
MIT ABBILDUNGEN.

NTER den kunstgewerblichen Samm-
lungen des herzoglichen Museums
zu Braunschweig ist eine der um-
fangreichsten diejenige der Porzel-
lane. Zwar sind das orientalische
Porzellan und die bekannteren
europäischen Fabriken nur teilweise und, wenn man
absieht von der ebenso lehrreichen wie verhältnis-
mässig grossen Sammlung roten Böttgerschen Ver-
suchsporzellans, in nur wenigen Stücken vertreten,
allein zum Ersatz hierfür sind die Erzeugnisse der
Landesfabrik Fürstenberg in einer Vollständigkeit
vorhanden, die empfindliche Lücken nicht aufzu-
weisen hat und daher wohl imstande ist, uns ein
ziemlich getreues Bild von dem künstlerischen Ent-
wicklungsgange dieser Fabrik zu bieten. Indem ich
mir vorbehalte, diesen letzteren zum Gegenstand
einer selbständigen Untersuchung zu machen, möchte
ich an dieser Stelle die Aufmerksamkeit der Leser
auf einige Figürchen Fürstenberger Fabrikats lenken,
die mir unter der grossen Menge von Einzelfiguren
und Gruppen, welche das herzogliche Museum be-
sitzt, in mehrfacher Hinsicht besondere Beachtung
zu verdienen scheinen.

Die 0,151 m hohe Figur, welche ich zunächst be-
sprechen möchte, gelangte im Jahre 1882 zusammen
mit einer grösseren Zahl anderer Kunstgegenstände
im Tausch gegen einen Kunstschrank aus dem Be-
sitz der damaligen deutschen Kronprinzessin in das
herzogliche Museum und stellt eine Kleopatra dar
(Abb. 1), welche völlig nackt dasteht im Begriffe, die
totbringende Natter sich an die rechte Brust zu legen.
Der linke Fuss ist seitwärts zurückgesetzt und be-
rührt mit seiner Spitze einen am Boden liegenden,
viereckigen Mamiorstein; Kopf und Oberkörper folgen
Kunstgewerbeblatt. N. F. I.

der seitlichen Neigung dieses Beines,' so dass die
Figur eine etwas unsichere Stellung hat und, zumal
wenn man sie von vorn betrachtet, den Eindruck
macht, als ob sie zur Seite fallen wollte. Hinter ihr
steht auf einem weit ausladenden, kühn geschwungenen
Postament eine Vase mit zwei hohen, hässlichen Ver-
tikalhenkeln, deren einer jedoch abgebrochen ist.
Dies ist die einzige Verletzung an dem sonst unver-
sehrt erhaltenen Figürchen.

Der feinen und reichen Modellirung entspricht
die zarte und durchsichtige Farbengebung. Das
Fleisch ist leicht getönt, fast weiss und nur an den
Wangen, Händen, Füssen und einigen hervorstehen-
den Teilen mit einem zarten Rosa überhaucht. Die
Augen sind blaugrau, die von einem lichtgrünen
Band durchzogenen Haare graubraun, die Ornamente
an den vier Seiten des Postaments, deren Umrah-
mungen sowie die Henkel und Verzierungen der
Vase golden; die Natter ist grau, der den Erdboden
nachahmende Sockel hellbraun.

Bildnerei und Malerei haben hier vereint ein
reizendes Werk hervorgebracht, das sich vielen ähn-
lichen Meissener und Höchster Fabrikaten würdig
an die Seite stellen kann, wenn man es auch nicht
gerade mit den Schöpfungen eines Kendler oder
Melchior vergleichen darf. Denn dazu fehlt ihm in
erster Linie das, was die Werke jener Meister in so
hervorragendem Masse besitzen: die Originalität.
Diese Kleopatra ist keine selbständige Schöpfung,
keine eigene Erfindung des uns unbekannten Mo-
delleurs, sie ist vielmehr,. wie sich genau nachweisen
lässt, die unmittelbare Nachbildung eines älteren
Werkes, welche dem Material und der neuen Technik
zuliebe gewisse unbedeutende Veränderungen er-
fahren hat.

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