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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 1.1890

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Hofmann, Albert: Über Kunstgewerbemuseen, [1]
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Kleine Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3941#0125

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ÜBER KUNSTGEWERBEMUSEEN.

Berechtigung retrospektive nennen könnte; so scheint
es nämlich und so scheint es insbesondere auf dem
Gebiete des Kunstgewerbes, auf welchem man mehr,
als auf jedem andern Gebiete bestrebt ist, rückwärts
zu schauen. Aber sehr zahlreich bereits sind die
Anzeichen auf dem Gebiete der Malerei, der Plastik
und auch der Architektur, dass unsere Zeit und
unsere Kunst beginnt, sich über den Standpunkt des
Rückwärtsschauens in zielbewusstem Fluge zu er-
heben und eigene, unsern Kulturverhältnissen ent-
sprechende Bahnen einzuschlagen. Das konnte aber
nicht eher eintreten, als bis die in Anfang und in
der Mitte unseres Jahrhunderts zurückgegangenen
Künste an den Künsten vergangener Jahrhunderte
soweit erstarkt waren, dass sie sich befähigt fühlten,
eigene Pfade zu verfolgen. Auf diesem Standpunkte
scheinen die sogenannten hohen Künste jetzt ange-
langt und die Kunst im Gewerbe, die mit der hohen
Kunst immer Hand in Hand ging, wird dieser auch
in Bälde folgen. In dieser wieder gesuchten An-
eignung verloren gegangener technischer Momente

— ich spreche nicht von dem transcendentalen Mo-
mente des Kunstwerkes, denn dieses wird demselben
in seiner Eigenart weniger durch den Künstler, als
durch die herrschende Kulturströmung aufgedrückt

— liegt die Berechtigung der historischen Bestre-
bungen in unserer heutigen Kunst; aber dem auf-
merksamen Beobachter wird es nicht entgehen, dass
die Vergangenheit mehr und mehr zurückzutreten
beginnt und der „Lebende Recht behält".

Auf dem Gebiete des Kunstgewerbes nun scheint

der historische Prozess noch nicht ganz vollendet
zu sein. Man könnte eine gewisse Ratlosigkeit
unserer heutigen gewerblichen Kunst in dem Um-
stände erblicken, dass alle historischen europäischen
Stilarten im Vereine mit sämtlichen Stilarten des
Orients und des Westens einen wahren Veitstanz in
der künstlerischen Produktion ausführen. Es tritt
der Charakter der Ratlosigkeit hier um so stärker
hervor im Vergleich mit der zielbewussten Richtung,
welche Malerei, Plastik und auch Architektur mit
grossem Erfolg bereits eingeschlagen haben. Unser
Zeitalter ist zweifellos ein im Sinne z. B. der ro-
mantischen Epoche sehr nüchtern denkendes, welches
Ideale nur da sieht, wo sie auch erreicht werden
können. Es ist das Zeitalter, welches seine ganze
Philosophie auf dem „Möglichen" aufbaut, das Reich
des Transcendentalen wesentlich eingeschränkt hat.
Die Realpolitik ging voran, übte ihren mächtigen
Einfluss auf die ganze Kulturarbeit aus, welche ihrer-
seits wiederum die jetzt hervorragendsten Eigen-
schaften in das Gebiet der Kunst einleitete.

Davon ist im Kunstgewerbe bis jetzt noch wenig
zu spüren. Dasselbe hat heute noch vorwiegend
historischen oder wenn man will stilistisch univer-
sellen Charakter, keinesfalls aber den eigenartigen
Charakter, welcher unserer heutigen Kultur ent-
spricht. Wie das Kunstgewerbe heute steht und
lebt, ist es noch in völliger Abhängigkeit von früheren
Jahrhunderten und von anderen Völkern. Dieser
Standpunkt ist nicht ohne Einfluss auf die Museal-
frage. (Scliluss folgt.)

KLEINE MITTEILUNGEN.

P.— Hamburg. In gewohnter Ausstattung aber um-
fassender diesmal als sonst liegt der Bericht des „Museums
für Kunst und Gewerbe" für das Jahr 1889 vor. Neben
dem eigentlichen Jahresbericht enthalt er diesmal eine
Übersicht über die Ankäufe für die Sammlung seit Grün-
dung des Museums sowie einen Bericht über das „Mu-
seum und die Hamburger Gewerbe- und Industrieausstel-
lung". Die regelmässige Vermehrung der Sammlung aus
den verfügbaren Mitteln unter zielbewusster Leitung glück-
licherweise ihren Fortgang gewonnen. Daneben konnte
aber auch aus einzelnen Schenkungen, Stiftungen und Ver-
mächtnissen eine Reihe wertvoller Erwerbungen gemacht
werden. Darunter zu nennen sind auch an dieser Stelle,
weil kaum in einem deutschen Museum sonst vertreten,
einige ihrer Herkunft und Zeit nach unbezweifelte japanische
Fayencen und Porzellane ersten Ranges. Einen breiten
Raum nehmen unter den Erwerbungen des Berichtsjahres die

Textilien ein, so dass heute schon die Sammlung ein über-
sichtliches Bild des Ornaments in den Geweben darbietet.
Die Keramik wurde durch Porzellane, Fayencen und eine
schöne Nassauer Steinzeugpilgerflasche erweitert. Eine An-
zahl ausgezeichneter französischer Holzschnitzereien ergänzen
die betreffende an deutschen Arbeiten reiche Abteilung in
hervorragender Weise. Ein schöner gotischer Kasten in ge-
schnittenem Leder, Metall, Lack, kamen femer hinzu. Der
Gesamtzugang beträgt 270 Nummern. Die bedeutendste Er-
werbung des Jahres bildet die als Schenkung an das Mu-
seum gelangte Spitzen- und Stickereisammlung aus dem Be-
sitz der Frau Dr. Marie Meyer, die an Bedeutung und Wert
grösste Schenkung, welche dem Museum bisher geworden ist.
Diese Sammlung umfasst die „Probsteier Spitzensammlung•
und eine grosse Kollektion moderner Stickereien, aus dem
Atelier der Schenkerin hervorgegangen. lieber die Spitzen-
sammlung schrieb 1882 die „Vossische Zeitung": „Vor
 
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