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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 1.1890

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Küsthardt, Friedrich: Grabsteine auf Friedhöfen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3941#0059

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GRABSTEINE AUF FRIEDHÖFEN.

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will behaupten, dass dieses Material nicht schön,
nicht teuer sei?

Die Friedhofsknnst, wie sie heute liegt, ist zu
einer Massenproduktion herabgesunken, die das Indi-
viduelle notwendig erdrücken muss. Fabriken haben
sich darauf aufgebaut, Marmor-, Granit- und Syenit-
industrie, Säge-, Schleif- und Polirwerke mit Dampf-
betrieb, Kauf leute haben sich ihrer bemächtigt und
einen schwunghaften Handelsbetrieb daraus ge-
schaffen; sie senden Reisende darauf aus, über-
schwemmen mit ihren illustrirten Preislisten, mit
ihren fertigen Marmorwaren, Grabkreuzen und Denk-
mälern, die Steinmetzgeschäfte, welche sich in der
Stadt oder nahe dem Friedhofe angesiedelt haben,
um die stets sich gleichbleibenden sogenannten Mo-
numente im Trauerhause anzubieten, ehe die Leiche
kalt geworden, und verkaufen, womöglich in der
Stunde, wo sie begraben wurde. So wird die Ein-
förmigkeit und Öde auf dem geweihten Boden her-
vorgerufen, die der schönste Blumenschmuck und
die geschmackvollsten schmiedeeisernen Gitter nicht
bannen können.

Demnach scheint nun, dass es weder bei dem
Steinmetzmeister noch bei dem Bildhauer der kleinen
Stadt liegt, hier Wandel zu schaffen, denn beide
^ sind in der Regel mit den besseren Vorlagen ver-
sehen. Der Schaden hängt vielmehr an dem Ver-
kaufsladeu, der den Trauernden die Erzeugnisse der
Dampfgrabsteinfabriken anbietet, die er in Kommis-
sion genommen, und bis Fabrikant und Ladeninhaber
überzeugt werden, dass gute Vorlagen, bessere Mo-
delle an diesen Platz gehören, wird noch manches
belehrende Wort geschrieben und gesprochen werden
müssen. Unser kunstliebendes Publikum muss aber
auch überzeugt werden, dass ein religiöses Bildwerk,
in Sandstein ausgeführt, nicht teuerer ist als diese
ewigen polirten Syenitobelisken.

Und wie ist es nun mit den Grabfiguren be-
stellt? Hier und da ein Original in Marmor oder
Erz oder auch in Sandstein, von Künstlerhand ge-
schaffen; sinnige, schöne Bildwerke, in Statuen oder
Reliefs; aber, wie gesagt, nur hier und da verein-
zelt! Meistens indessen begegnen wir auch liier der
Massenproduktion der Thonwarenfabrikeu. Immer
dieselbe „traurige" Figur auf ein und demselben
Friedhofe, aus ein und derselben Fabrik, die uns

auch im Annoncenteile illustrirter Zeitungen bis zum
Überfluss entgegentritt und im Laden in der Nähe
des Friedhofs zu kaufen ist.

So ist es selbstverständlich, dass unsere Fried-
höfe an einer Öde leiden, der von einigen wenigen
Künstlern, leider vergeblich, entgegengearbeitet wurde,
und es bleibt zu bedauern, dass künstlerische Grab-
denkmäler nur vereinzelt unsere protestantischen,
norddeutschen Friedhöfe schmücken. Endlich können
es die Kosten eines Bildwerkes auch nicht allein
sein, die der Aufstellung eines solchen hindernd im
Wege stehen, da aller Orten, wie in Köln, Ham-
burg, Bremen, Hildesheim u. a. 0. der Gegenbeweis
vorliegt, und zwar in höchst kostbaren, teuren Bau-
werken, Tempeln und Säulenhallen, die in polirtem
Granit ausgeführt, jenen -den Rang streitig machen.

Somit liegt es wohl nicht nur am Können des
Künstlers und Handwerkers, wenn die Pflege des
Gräberschmuckes noch nicht auf der Höhe steht,
wie die Herren Verfasser der oben erwähnten Auf-
sätze in dieser Zeitschrift es wünschen, sondern es
liegt gewiss weit mehr an dem noch lange nicht
genug geläuterten Geschmack des Publikums, dem
wir auf diesem Gebiete unsere ganze Sorgfalt wid-
men müssen. Gelegenheit dazu geben Gewerbe-,
Kunstgewerbe-, Industrie- und Kunstvereine; auch
in kaufmännische und andere Fachvereine wäre das
Thema hineinzutragen, und es findet sich gewiss
überall ein Berufener, der dieses Kapitel der Fried-
hofsknnst besprechen und seinen Vortrag durch
Abbildungen noch besser erläutern kann. Auch auf
die reiche Sammlung antiker Grabsteine im Berliner
Museum kann hingewiesen werden; um so mehr,
als diese in den meisten Fällen mit kleinen, an-
mutigen Reliefs, häuslichen Scenen geziert sind. Auch
die Anschaffung von Gipsabgüssen solcher Grab-
stelen für unsere Provinzialmuseen ist zur Hebung
des Geschmacks nach dieser Richtung hin zu em-
pfehlen, wie auch Gewerbe- und Haudwerkerschulen
in ihren Vorbilder- und Mustersammlungen die besten
Grabdenkmäler vergangener und der heutigen Zeit
zu jedermanns Ansicht ausstellen sollten. Zur Er-
reichung dieses Zieles aber können ohne Zweifel
noch andere Wege eingeschlagen werden.

Jlililc-Iiri/ii.

FB. KÜ8THABDT.
 
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