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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 1.1890

DOI Artikel:
Graul, Richard: Die Renaissance in Belgien und Holland
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https://doi.org/10.11588/diglit.3941#0073

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DIE RENAISSANCE IX BELGIEN UND HOLLAND.

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ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Umrisse gleich-
sam zu zeichnen.') Seitdem sind einige neue Studien
zur Förderung unserer Kenntnis der niederländischen
Renaissance zu Tage gekommen.

Auf die in Fachzeitschriften veröffentlichten Ein-
zeluntersuchungen will ich hier nicht eingehen.
Wohl aher erheischt es eine unlängst erschienene
grosse Veröffentlichung von Georg Holland, dass wir
uns mit ihr des näheren beschäftigen. Georg Gal-
land, der an der königl. Technischen Hochschule zu
Berlin als Privatdocent wirkt, hat sowohl durch eine
im Jahre 1882 herausgegebene Darlegung der -Renais-
sance in Holland" in ihrer
geschichtlichen Hauptent-
wicklung, als auch durch
gelegentliche Aufsätze von
mannigfachen Studien auf
dem Gebiete der holländi-
schen Baukunst Zeugnis
abgelegt. Lehrreich waren
besonders seineUntersuchun-
gen über die holländische
Holzarchitektur. Nun hat
er seinen unermüdlichen
Fleiss auf die Lösung einer
ungemein schwierigen Auf-
gabe gewandt, indem er es
unternahm, eine ausführliche
„Geschickte ihr holländischen
Baukunst und Büdnerei" nicht
nur „im Zeitalter der Renais-
sauce", sondern auch im Zeit-
alter „der nationalen Blüte
und des Klassicismus" zu
schreibeil. Seiner Mühe Er-
gebnis liegt uns in einem
ttber 600 Seiten starken Grossoktavband mü IM Ab-
bildungen im Text vor, den Seinrich Keller in Frank-
furt am Main verlegt hat

Nicht der ganze dickleibige Band ist mit dieser
Geschichte der holländischen Baukunst und Büd-
nerei angefüllt: sie bildet nur den Inhalt der ersten
drei von den vier Büchern, in die das Werk zerfallt,
und das vierte Buch, das eine Kunsttopographie Hol-
lands enthält, umf'asst allein übet /.weieinlialbhundert
Seilen. Gerade dieser kunsttopographische Teil lehrt
den Eifer Gallands um die HerbeischafFung und
Sichtung des Rohstoffes zur geschichtlichen Darstel-

Bilberne Tiscbglocke aus Kampen. (Ewerheck.)

1) Beitrüge zur (iescliiclite der dekorativen Sknlpfau in
ilrn Niederlanden während der ersten Hälfte dea X VI. Jahr-
hundert«. 65 B. B°. Leiprifc. L889.

lung schätzen. Galland hat sich an Ort und Stelle
eine vielumfassende Kenntnis der Kunstdenkmäler
aus dem 16. und 17. Jahrhundert erworben, viele
Monumente hat er sorgfältig untersucht, den
Charakter ihrer Kunstweise zu analysiren unter-
nommen, und in den Beobachtungen, zu denen sie
ihn anregten, manche Probe fachmännischen Urteils
an den Tag gelegt. Auch in dem einschlägigen
Schrifttum hat der Verfasser weite Umschau ge-
halten, und nicht bloss im zunächstliegenden. Giebt
uns doch die ältere topographische Litteratur von
manchem verschwundenen Werke der Baukunst will-
kommene Kunde. Freilich
nicht immer schmecken die
Citate des Verfassers nach
der Quelle. Wie wäre es
auch bei der Ausgedehnt-
heit des Forschungsgebietes
dem einzelnen möglich, in
jedem Falle zu den ersten
Quellen niederzusteigen! Wo-
mit aber lässt es sich ent-
schuldigen, wenn wir finden,
dass der Verfasser über den
Urheber nicht nur einer der
wichtigsten, sondern auch
einer der bekanntesten Quel-
lenschriften zur niederländi-
schen Kunstgeschichte, über
Lodovico Guicciardini, den
er den „Thucydides Italiens '
nennt (S. 65), nicht orientirt
ist? Doch das nur nebenbei.
Wenden wir uns zu Gal-
lands Gescliichtserzählung
„von der Zeit des Übergangs"
bis zu der „des Niedergangs", das heisst von der Mitte
des 15. bis zum Beginne des 18. Jahrhunderts. Wie
es bei einem Buche, das nicht nur dem Forscher
nützlich, sondern auch dem Laien ergötzlich zu
sein wünscht, nicht ohne einleitende kulturge-
schichtliche Apercus abzugehen pflegt, so hat sich
auch Galland der ,.populären Tendenz" (S. VII) seines
Buches zu liebe veranlasst gesehen, bei der Glie-
derung seiner Arbeit nach Gesichtspunkten, welche
der politischen Geschichte entnommen sind, allgemein
gehaltene kulturgeschichtliche Einleitungen den ein-
zelnen Kapiteln vorzusetzen. Gewiss zeugen diese
den allgemeinen Kulturgrad innerhalb bestimmter
Epochen schildernden Einleitungen von vielfältiger
Belesenheit und machen den Leser vertraut mit einer
 
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