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DIE RENAISSANCE IN BELGIEN UND HOLLAND.
phasen in der Architektur und im Kunstgewerbe ist
in diesen Teilen eine im allgemeinen zutreffende zu
Silberner Becher im Kathaus zu Kampen. (Eweriieck.)
nennen. Im einzelnen giebt es freilich des Strittigen
genug, aber das fällt doch zumeist den geringen Vor-
arbeiten, die sich der Autor zu nutze machen
konnte, zur Last. Dass auch hinsichtlich der Voll-
ständigkeit vieles geleistet ist, das bemerkten wir
bereits oben, als wir auf den verdienstvollen kuust-
topographischen Teil des Werkes hindeuteten. Alles
in allem können wir Gallands Werk als eine nützliche
Vorarbeit empfehlen, wir würden es rückhaltloser thun,
wenn sie gleich auf ihrem Titel als solche von dem
Verfasser wäre bezeichnet worden, und nicht als eine
„Geschichte" ein Versprechen machte, das in wissen-
schaftlich befriedigender Weise einzulösen, unter den
Berufenen heutzutage noch keiner recht vermöchte.—
Nach dieser Abschweifung kehren wir zu Ewer-
beck zurück. In der Auswahl von Gegenständen
der Baukunst und des Kunstgewerbes aus Belgien
und Holland hat sich Ewerbeck im wesentlichen von
künstlerischen und praktischen Gesichtspunkten leiten
lassen. Seine Sammlung sollte gewiss auch dem
Forscher auf dem Gebiete der niederländischen Kunst-
geschichte eine nützliche Handhabe sein. Ungleich
mehr aber lag ihm die Rücksicht auf die Bedürf-
nisse des vorbildsuchenden Architekten und Kunst-
handwerkers am Herzen. Aus diesem Grunde liess
er eine Anzahl von Denkmälern ausser acht, welche
als Beispiele einer stilistisch noch Uliabgeklärten
Kunst den ästhetischen Sinn kaum befriedigen, die
jedoch für den Kunsthistoriker von ausserordent-
lichem Interesse sind. Denkmäler dieser Art sind
für die Geschichte der Anfänge der Renaissance in
den Niederlanden von der grössten Bedeutung. Wir
begegnen ihnen auf allen Gebieten künstlerischer
Bethätigung, in den zeichnenden Künsten sowohl
wie in den bildenden. In ihnen geht organische
Unreife mit dekorativer Überreife einen phantasti-
schen Bund ein. Sie sind die Herolde eines bald
allgemein werdenden Umschwunges in der Formen-
Sprache; sie bringen die Renaissancebewegung in
Fluss und lassen uns eine Zeitlang im Zweifel über
die Gruudzüge der stilistischen Entwicklung.
War auch die Gotik zu Anfang des 16. Jahr-
hunderts als System fertig, so hat sich doch noch
auf lange hin ihr Dasein verschleppt. In den
dreissiger, sogar in den vierziger Jahren des lü. Jahr-
hunderts sind in der Architektur und auch in den
dekorativen Künsten Werke spätgotischen Stils
durchaus keine Ausnahmen. Im Ornamentalen lebte
eine naturalistische Richtung, welche seit der Mitte des
15. Jahrhunderts sich so mächtig entwickelt hat t e. dass
sie als eine „Renaissance" auf eigene Faust, als eine
Verjüngung der nordischen Phantasie am Jugend-
bronnen der Natur erscheint, welche mit dem l'iu-
schwunge jenseits der Alpen gar keine Beziehungen
DIE RENAISSANCE IN BELGIEN UND HOLLAND.
phasen in der Architektur und im Kunstgewerbe ist
in diesen Teilen eine im allgemeinen zutreffende zu
Silberner Becher im Kathaus zu Kampen. (Eweriieck.)
nennen. Im einzelnen giebt es freilich des Strittigen
genug, aber das fällt doch zumeist den geringen Vor-
arbeiten, die sich der Autor zu nutze machen
konnte, zur Last. Dass auch hinsichtlich der Voll-
ständigkeit vieles geleistet ist, das bemerkten wir
bereits oben, als wir auf den verdienstvollen kuust-
topographischen Teil des Werkes hindeuteten. Alles
in allem können wir Gallands Werk als eine nützliche
Vorarbeit empfehlen, wir würden es rückhaltloser thun,
wenn sie gleich auf ihrem Titel als solche von dem
Verfasser wäre bezeichnet worden, und nicht als eine
„Geschichte" ein Versprechen machte, das in wissen-
schaftlich befriedigender Weise einzulösen, unter den
Berufenen heutzutage noch keiner recht vermöchte.—
Nach dieser Abschweifung kehren wir zu Ewer-
beck zurück. In der Auswahl von Gegenständen
der Baukunst und des Kunstgewerbes aus Belgien
und Holland hat sich Ewerbeck im wesentlichen von
künstlerischen und praktischen Gesichtspunkten leiten
lassen. Seine Sammlung sollte gewiss auch dem
Forscher auf dem Gebiete der niederländischen Kunst-
geschichte eine nützliche Handhabe sein. Ungleich
mehr aber lag ihm die Rücksicht auf die Bedürf-
nisse des vorbildsuchenden Architekten und Kunst-
handwerkers am Herzen. Aus diesem Grunde liess
er eine Anzahl von Denkmälern ausser acht, welche
als Beispiele einer stilistisch noch Uliabgeklärten
Kunst den ästhetischen Sinn kaum befriedigen, die
jedoch für den Kunsthistoriker von ausserordent-
lichem Interesse sind. Denkmäler dieser Art sind
für die Geschichte der Anfänge der Renaissance in
den Niederlanden von der grössten Bedeutung. Wir
begegnen ihnen auf allen Gebieten künstlerischer
Bethätigung, in den zeichnenden Künsten sowohl
wie in den bildenden. In ihnen geht organische
Unreife mit dekorativer Überreife einen phantasti-
schen Bund ein. Sie sind die Herolde eines bald
allgemein werdenden Umschwunges in der Formen-
Sprache; sie bringen die Renaissancebewegung in
Fluss und lassen uns eine Zeitlang im Zweifel über
die Gruudzüge der stilistischen Entwicklung.
War auch die Gotik zu Anfang des 16. Jahr-
hunderts als System fertig, so hat sich doch noch
auf lange hin ihr Dasein verschleppt. In den
dreissiger, sogar in den vierziger Jahren des lü. Jahr-
hunderts sind in der Architektur und auch in den
dekorativen Künsten Werke spätgotischen Stils
durchaus keine Ausnahmen. Im Ornamentalen lebte
eine naturalistische Richtung, welche seit der Mitte des
15. Jahrhunderts sich so mächtig entwickelt hat t e. dass
sie als eine „Renaissance" auf eigene Faust, als eine
Verjüngung der nordischen Phantasie am Jugend-
bronnen der Natur erscheint, welche mit dem l'iu-
schwunge jenseits der Alpen gar keine Beziehungen