KUNST UND KUNSTTECHNIK IM WAFFENSCHMIEDEWESEN.
59
erscheinen mag, sie wird Daten bringen, welche uns
neu erscheinen.
Beginnen wir ohne ängstliche Wahl mit Spa-
nien. Die spanische Waffenindustrie konzentrirte
sich vom Mittelalter an, wie nahezu überall um die
Gewinnungsstätten ihres vorzüglichsten
Materiales, des Eisens, und da sehen wir
drei Gebiete hervorragen, jenes den Tajo
entlang, von den Bergen von Toledo bis
zu den Abhängen des Gebirges der Sierra
de S. Memede, jenes an der Küste des
Golfes in Biscaja und Guipuzcoa bis in
die Ebene von Leon herab. Endlich das
Gebiet von Murcia nördlich bis Albacete,
südlich bis Almeria reichend. Ersteres
hatte als Hauptindustrieort Toledo, das
zweite Bilbao, Madragon und Sahagun, das
dritte Albacete und Almeria. Isolirter von
den Gewinnungsstätten stand ein hervor-
ragender Industrieort: Sevilla.
Waren die beiden südlichen, Toledo
und Albacete, durch die Hände der Mauren
zu ungemeiner Bedeutung gelangt, so
stellt Bilbao sich als der A'orort einer
Waffenfabrikation dar, die ihre Uranfänge
noch unter den Iberern hatte und die
selbst von den Kölnern und Galliern ge-
schont wurde. Die Erzeugung war aber
von primitivster Art und blieb seit
ältester Zeit die gleiche. Das Gebiet von
Murcia war jenes, welches die Mauren
nach ihrem Übertritte nach Spanien zu-
erst pflegten. AI Makkari berichtet in
seiner Geschichte der mohammedani-
schen Herrschaft in Spanien, dass im
Königreiche Murcia die berühmtesten
Fabriken von Panzerhemden, Kunsthar-
nischen und mit Gold eingelegten Stahl-
rüstungen bestanden '). Mit dem Vor-
rücken der Araber breitete sich die In-
dustrie längs des Tajo aus. Leider sind
ans jener Zeit nur wenig Daten uns
geblieben, doch wissen wir, dass Abde-
rhamau II. (822—852) die dortigeWaffen-
täbrikation reforniirtc und dass AI
Bakem II. um 965 dem Könige Don
Sam-ho von Leon ein reiches Geschenk mit Tole-
daner Arbeiten machte. Näher triff uns die In-
dustrie von Toledo erst, als das Gebiet unter christ-
liche Herrschaft gelangt war (1-192). Da hören wir
1) Hiiiiio,.)., The indostnal Art« in Spain. London L879.
von dem Neubegründer derselben Julian del Rey,
der ein Maure und Dienstmann Boabdils nach der
Gefangennahme des letzteren den christlichen Glau-
ben annahm; Ferdinand der Katholische soll sein
Taufpate gewesen sein. Julian, der mit dem mau-
rischen Waffenschmied Reduan identisch
sein dürfte, führte als Zeichen ein vier-
füssiges Tier, vermutlich eine Nach-
ahmung des Passauer Wolfes, den die
Spanier als Hündchen, perillo, erblickten.
Die berühmtesten Klingenschmiede Spa-
niens gehören demungeachtet erst der
zweiten Hälfte des 16. und 17. Jahr-
hunderts an, so Alsonso und Luis der
Sahagun, Juan Martinez Menchaca,
Thomas de Ayala, die Ruiz u. a. Wie
in Italien, so stand auch in Spanien das
Goldschmiedhandwerk in inniger Verbin-
dung mit jenem der Waffenschmiede.
Beide lieferten prächtige Erzeugnisse, die
aber immer in der Zeichnung von den
Italienern abhängig waren und gegen
diese überhaupt zusückstandeu; desuu-
geachtet war der spanische Wehrver-
golder eine unentbehrliche Person an
den habsburgischen Höfen. Im Feuer-
gewehrwesen ragten die Spanier nie be-
sonders hervor, sie fertigten überhaupt
nur glatte Läufe, aber auch Pruukwaffen,
die einer grossen Beliebtheit sich er-
freuten. Die Industrie Toledos ging im
17. Jahrhundert völlig ein, weil sich die
Meister den neuern Erfindungen nicht
anbequemen wollten. Als Karl III. die-
selbe um 1780 neu erheben wollte, fand
sich kein geeigneter Meister als der be-
reits 70jährige Luis Calisto.
Weit früher als in andern Ländern
tritt die Waffenindustrie Italiens aus dem
Dunkel der Geschichte heraus, die Wie-
dergeburt der Künste feierte hier ihre
Anfänge und wir hören auch im 14. Jahr-
Land-knechtdolch mit Scheide. ]lun(Jert Namen einzelner Meister von
Auf letzterer die Darstellung . . n
des Brudermorde«. Verkleinerte Bedeutung als einen Heweis, Wie entschie-
den man mit den Traditionen des Mittel-
alters gebrochen hatte, in welchem der
Meister in seinem Werke aufgegangen war.
Florenz, die Stadt der Goldschmiede, erklingt
uns in den Aufschreibungen zuerst als Erzeugungs-
ort prunkvoller Wallen; von hier verbreitet sich
dieser wichtige Zweig der Kunstinduetrie nach Mai-
Kopie eines Stiches von Hui.Mi
Al.i'i ■i.i:\ i li. bei. 1S30.
59
erscheinen mag, sie wird Daten bringen, welche uns
neu erscheinen.
Beginnen wir ohne ängstliche Wahl mit Spa-
nien. Die spanische Waffenindustrie konzentrirte
sich vom Mittelalter an, wie nahezu überall um die
Gewinnungsstätten ihres vorzüglichsten
Materiales, des Eisens, und da sehen wir
drei Gebiete hervorragen, jenes den Tajo
entlang, von den Bergen von Toledo bis
zu den Abhängen des Gebirges der Sierra
de S. Memede, jenes an der Küste des
Golfes in Biscaja und Guipuzcoa bis in
die Ebene von Leon herab. Endlich das
Gebiet von Murcia nördlich bis Albacete,
südlich bis Almeria reichend. Ersteres
hatte als Hauptindustrieort Toledo, das
zweite Bilbao, Madragon und Sahagun, das
dritte Albacete und Almeria. Isolirter von
den Gewinnungsstätten stand ein hervor-
ragender Industrieort: Sevilla.
Waren die beiden südlichen, Toledo
und Albacete, durch die Hände der Mauren
zu ungemeiner Bedeutung gelangt, so
stellt Bilbao sich als der A'orort einer
Waffenfabrikation dar, die ihre Uranfänge
noch unter den Iberern hatte und die
selbst von den Kölnern und Galliern ge-
schont wurde. Die Erzeugung war aber
von primitivster Art und blieb seit
ältester Zeit die gleiche. Das Gebiet von
Murcia war jenes, welches die Mauren
nach ihrem Übertritte nach Spanien zu-
erst pflegten. AI Makkari berichtet in
seiner Geschichte der mohammedani-
schen Herrschaft in Spanien, dass im
Königreiche Murcia die berühmtesten
Fabriken von Panzerhemden, Kunsthar-
nischen und mit Gold eingelegten Stahl-
rüstungen bestanden '). Mit dem Vor-
rücken der Araber breitete sich die In-
dustrie längs des Tajo aus. Leider sind
ans jener Zeit nur wenig Daten uns
geblieben, doch wissen wir, dass Abde-
rhamau II. (822—852) die dortigeWaffen-
täbrikation reforniirtc und dass AI
Bakem II. um 965 dem Könige Don
Sam-ho von Leon ein reiches Geschenk mit Tole-
daner Arbeiten machte. Näher triff uns die In-
dustrie von Toledo erst, als das Gebiet unter christ-
liche Herrschaft gelangt war (1-192). Da hören wir
1) Hiiiiio,.)., The indostnal Art« in Spain. London L879.
von dem Neubegründer derselben Julian del Rey,
der ein Maure und Dienstmann Boabdils nach der
Gefangennahme des letzteren den christlichen Glau-
ben annahm; Ferdinand der Katholische soll sein
Taufpate gewesen sein. Julian, der mit dem mau-
rischen Waffenschmied Reduan identisch
sein dürfte, führte als Zeichen ein vier-
füssiges Tier, vermutlich eine Nach-
ahmung des Passauer Wolfes, den die
Spanier als Hündchen, perillo, erblickten.
Die berühmtesten Klingenschmiede Spa-
niens gehören demungeachtet erst der
zweiten Hälfte des 16. und 17. Jahr-
hunderts an, so Alsonso und Luis der
Sahagun, Juan Martinez Menchaca,
Thomas de Ayala, die Ruiz u. a. Wie
in Italien, so stand auch in Spanien das
Goldschmiedhandwerk in inniger Verbin-
dung mit jenem der Waffenschmiede.
Beide lieferten prächtige Erzeugnisse, die
aber immer in der Zeichnung von den
Italienern abhängig waren und gegen
diese überhaupt zusückstandeu; desuu-
geachtet war der spanische Wehrver-
golder eine unentbehrliche Person an
den habsburgischen Höfen. Im Feuer-
gewehrwesen ragten die Spanier nie be-
sonders hervor, sie fertigten überhaupt
nur glatte Läufe, aber auch Pruukwaffen,
die einer grossen Beliebtheit sich er-
freuten. Die Industrie Toledos ging im
17. Jahrhundert völlig ein, weil sich die
Meister den neuern Erfindungen nicht
anbequemen wollten. Als Karl III. die-
selbe um 1780 neu erheben wollte, fand
sich kein geeigneter Meister als der be-
reits 70jährige Luis Calisto.
Weit früher als in andern Ländern
tritt die Waffenindustrie Italiens aus dem
Dunkel der Geschichte heraus, die Wie-
dergeburt der Künste feierte hier ihre
Anfänge und wir hören auch im 14. Jahr-
Land-knechtdolch mit Scheide. ]lun(Jert Namen einzelner Meister von
Auf letzterer die Darstellung . . n
des Brudermorde«. Verkleinerte Bedeutung als einen Heweis, Wie entschie-
den man mit den Traditionen des Mittel-
alters gebrochen hatte, in welchem der
Meister in seinem Werke aufgegangen war.
Florenz, die Stadt der Goldschmiede, erklingt
uns in den Aufschreibungen zuerst als Erzeugungs-
ort prunkvoller Wallen; von hier verbreitet sich
dieser wichtige Zweig der Kunstinduetrie nach Mai-
Kopie eines Stiches von Hui.Mi
Al.i'i ■i.i:\ i li. bei. 1S30.