Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 1.1890

DOI Artikel:
Diner, Joseph: Der Katalog der Sammlung Spitzer
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.3941#0132

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DER KATALOG DER SAMMLUNG SPITZER.

103

PL IL und Labarte, Histoire des arts ^industriels.
Deuxieme edition. Tome I. PL VI.). Überdies ist
es auch merkwürdig, dass während sonst die byzan-
tinische Kunst fast nur das neue Testament in ihren
Darstellungskreis zieht, wir es hier mit Scenen des
alten Testamentes zu.thun haben, die vollständig in
römisches Gewand gehüllt sind und mit römischen
Beigaben, wie die Darstellung des Sol und die Kampf-
szenen auf dem Kästchen
von Sens. Liegt da nicht
die Vermutung nahe, dass
jene schlauen byzantini-
schen Arbeiter um dies
ikonoklastische Edikt zu
umgehen, die für jeden-
falls nicht so heilig ge-
haltenen alttestamentari-
schen Szenen wählten
und dieselben überdies
noch durch die antike
Einkleidung und die an-
tiken Beigaben gleichsam
profanirten, dem Bilder-
kreise der verbotenen
Darstellungen entzogen?
Jedenfalls ist unter dem
ikonoklastischen Regime
eine neue Aufnahme an-
tiker Motive und Dar-
stellungen ziemlich ge-
wiss. Nun wurde zu
jener Zeit eine ganze
Reihe Künstler aus By-
zanz vertrieben und fand
in Rom gastfreundliche
Aufnahme. Jenes antiki-
sirende Moment, das die-
selben aus Byzanz mit-
brachten, fand aber in
Rom noch neue Nah-
rung, sowohl in dem
noch vorhandenen an-
tiken Monumenten, wie in dem Einflüsse der Päpste
Hadrian I. und Leo IIL, und in dem bis nach
Rom hin sichtbaren Einflüsse Karls des Grossen.
Deshalb möchte ich auch jene Arbeiten dieser
Klasse, welche, wie das von uns publizirte Käst-
chen, durchaus antike Darstellungen zeigen, als
westländische Arbeiten des 8. Jahrhunderts ansehen.
Vorerst ist es auffallend, dass während die byzan-
tinischen Arbeiten stets in Elfenbein sind, diese Art

Arbeiten fast durchweg bloss in Bein sind; dann zeigen
diese Arbeiten eine stilistisch starke Verwandtschaft
mit den Miniaturen der karolingischen Kunst. Wir
finden dort dieselben antiken Köpfe in Profil mit der
plattgedrückten Stirne, wie auf dem Kästchen bei
Spitzer. (No. 4, Tafel IL) Ähnlich finden wir auch
dort die Kostüme und die etwas plumpen, gedrückten
Körperformen. Diese Momente verbieten uns jeden-
falls, diese Arbeiten als
byzantinisch zu bezeich-
nen. Wir können diesel-
ben aber auch nicht dem
9. oder 10. Jahrhunderte
zuschreiben. Denn es ist
ja bekannt, dass die karo-
lingische Kunst, trotzdem
sie in ihren Anfängen
stark antikisirend war,
sehr bald sich von allen
fremden, sowohl antiken
als byzantinischen Ein-
flüssen befreite und schon
am Ende des 9. Jahrhun-
derts in eine allerdings
rohe, aber originelle Ma-
nier verfiel.

In die Blütezeit der
französischen Elfenbein-
schneiderei führt uns das
unter der Figur No. 2
(Spitzer. Pag. 54, No. 85)
reproduzirtePolyptychon.
Die Arbeit des Mittel-
stückes ist in Rundwerk
(rond-bosse) ausgeführt.
Die vier Seitenflügel ent-
halten acht Darstellungen
in Flachrelief. Wir finden
hier alle für die skulp-
turelle Kunst des 14.
Jahrhunderts so charak-
teristischen Eigentüm-
lichkeiten. Die Maria hält die rechte Hüfte ganz
eingebogen und zeigt ein eigentümliches Lächeln. Die
Bewegungen aller Personen sind hastig und ebenso
wie ihre Gesichtszüge etwas übertrieben stark mar-
kirt. Die Falten der Gewänder sind zahlreich,
brüchig und sehr tief.

Ein sehr schönes Stück Renaissancearbeit zeigt
unsere Figur No. 3 (Spitzer, Pag. 71. No. 157). Es
ist eine Willkommenskanne. Der Bauch in Elfen-

15*

Fig. 2. Polyptychon aus Elfenbein.
Französische Arbeit des 14. Jahrhunderts. Höhe m 0.282.
 
Annotationen