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DER KATALOG DER SAMMLUNG SPITZER.
bein mit Schnitzerei in Hochrelief, die Fassung in
Silber vergoldet. Dargestellt ist der Auszug der
Trojaner. Zwei junge Leute, denen Kinder voran-
gehen, tragen je einen Greis auf ihren Schultern.
Eine dieser Gruppen ist einer Raffaelschen Dar-
stellung entlehnt. (Der Brand der Burg.)
Die dritte Abteilung enthält die Beschreibung
der 185 Gegenstände, welche der kirchlichen Gold-
schiniedekunst angehören.
In der Einleitung zu diesem Teile nimmt
Palustre nochmals die
Streitfrage bezüglich
des limousiner und rhei-
nischen Emails auf. Er
kommt zu dem Resul-
tate, dass die limousiner
Emailschule nicht etwa
erst im 12. Jahrhunderte
unter dem Einflüsse der
rheinischen Emailschule
entstanden sei, sondern
ebenso alt sei wie diese.
Ja er geht sogar weiter.
Wenn er es auch nicht
klar ausspricht, so lässt
er es doch vermuten,
dass die Emailkunst in
Frankreich sogar viel
älter ist und dass auch
den französischen Mei-
stern die Erfindung des
Email - champleve zu
verdanken ist. Die Be-
weise für alle diese
Behauptungen bleibt
Herr Palustre allerdings
schuldig. Oder sollen
wir vielleicht die chau-
vinistischen Phrasen für
Beweise nehmen? Hätten wir allerdings bloss eine
chauvinistische Exkursion hier vor uns, so wäre
Schweigen die beste Antwort. Aber in ein so präch-
tiges Werk so viel wissenschaftliche Leichtfertig-
keit einzuschmuggeln, dafür würde Herr Palustre
wohl verdienen, richtig auf die Finger geklopft
zu werden.
Bezüglich die Emailleure Reginaldus, Wülelmus,
Guinamandus, Garnier (wahrscheinlich Garnaut de
Trembloy gemeint) und Jean de Limoges erklärt
er kurz und bündig: „Diese letzteren fünf waren
trotz aller Diskussionen, die über sie geführt worden
Fig. 3.
sind, Angehörige der Ateliers von Limoges, dessen
Berühmtheit damals (wann?) ohne Rivalen in Eu-
ropa war."
Des weiteren erklärt er, dass die Deutschen nur
deshalb in besserer Position seien, weil in ihrem
Lande viel zahlreichere Monumente erhalten geblie-
ben und dieselben leider auch zahlreiche Inschriften
tragen. Wenn nun wohl auch diese Thatsachen für
das rheinländische Email sprechen, so gebe es oft
Konjekturen, welche dieselbe Beweiskraft haben wie
Thatsachen. Und nun
folgen die Konjekturen,
welche für die Priorität
des limousiner Emails
sprechen. Z. B. „Wenn
auch allerdings heute
die Monumente für die
lange Periode vom 6. bis
11. (sagen wir besser 12.)
Jahrhunderte fehlen, so
folgt daraus noch nicht,
dass dieselben nie existirt
haben", oder „Ohne zu
sprechen von jenen Ge-
schenken, welche Kaiser
Tiberius an Chilperich
gesendet, und unter
welchen zweifelsohne (?)
auch emaillirte Gegen-
stände waren, wissen
wir ja, dass Poitiers (?)
schon seit den Zeiten der
heiligen Radegunde ein
ausgezeichnetes kleines
Triptychon (?) besitzt (?),
ein Geschenk des Kaisers
Justinian. Also schon
vier Jahrhunderte früher
als Deutschland war
Aquitanien in der Lage, von einem in jeder Hinsicht
so bedeutenden Werke zu lernen."
Abgesehen von dem monströsen chronologischen
Saltomortale, welches darin steckt, von einem Ereig-
nisse des 6. Jahrhundertes auf ein solches des 10. Jahr-
hundertes zu schliessen, wimmelt dieser Satz von
leichtfertigen Angaben. Das Stück, wovon hier die
Rede ist, war ein Ilcliquar (ein Triptychon des
sechsten Jahrhunderts, das wäre eine wirkliche Rari-
tät!), welches im Kloster Saintc-Oroix zu Poitiers bis
zum Jahre 1792 aufbewahrt wurde, seit jener Zeit
aber verschwunden ist. Eine klösterliche Tradition
Willkommkanne. Der Bauch ans Elfenbein, die Fassung Silber
vergoldet. Niederländische Arbeit des 17. Jahrhunderts.
Höhe m 0,240.
DER KATALOG DER SAMMLUNG SPITZER.
bein mit Schnitzerei in Hochrelief, die Fassung in
Silber vergoldet. Dargestellt ist der Auszug der
Trojaner. Zwei junge Leute, denen Kinder voran-
gehen, tragen je einen Greis auf ihren Schultern.
Eine dieser Gruppen ist einer Raffaelschen Dar-
stellung entlehnt. (Der Brand der Burg.)
Die dritte Abteilung enthält die Beschreibung
der 185 Gegenstände, welche der kirchlichen Gold-
schiniedekunst angehören.
In der Einleitung zu diesem Teile nimmt
Palustre nochmals die
Streitfrage bezüglich
des limousiner und rhei-
nischen Emails auf. Er
kommt zu dem Resul-
tate, dass die limousiner
Emailschule nicht etwa
erst im 12. Jahrhunderte
unter dem Einflüsse der
rheinischen Emailschule
entstanden sei, sondern
ebenso alt sei wie diese.
Ja er geht sogar weiter.
Wenn er es auch nicht
klar ausspricht, so lässt
er es doch vermuten,
dass die Emailkunst in
Frankreich sogar viel
älter ist und dass auch
den französischen Mei-
stern die Erfindung des
Email - champleve zu
verdanken ist. Die Be-
weise für alle diese
Behauptungen bleibt
Herr Palustre allerdings
schuldig. Oder sollen
wir vielleicht die chau-
vinistischen Phrasen für
Beweise nehmen? Hätten wir allerdings bloss eine
chauvinistische Exkursion hier vor uns, so wäre
Schweigen die beste Antwort. Aber in ein so präch-
tiges Werk so viel wissenschaftliche Leichtfertig-
keit einzuschmuggeln, dafür würde Herr Palustre
wohl verdienen, richtig auf die Finger geklopft
zu werden.
Bezüglich die Emailleure Reginaldus, Wülelmus,
Guinamandus, Garnier (wahrscheinlich Garnaut de
Trembloy gemeint) und Jean de Limoges erklärt
er kurz und bündig: „Diese letzteren fünf waren
trotz aller Diskussionen, die über sie geführt worden
Fig. 3.
sind, Angehörige der Ateliers von Limoges, dessen
Berühmtheit damals (wann?) ohne Rivalen in Eu-
ropa war."
Des weiteren erklärt er, dass die Deutschen nur
deshalb in besserer Position seien, weil in ihrem
Lande viel zahlreichere Monumente erhalten geblie-
ben und dieselben leider auch zahlreiche Inschriften
tragen. Wenn nun wohl auch diese Thatsachen für
das rheinländische Email sprechen, so gebe es oft
Konjekturen, welche dieselbe Beweiskraft haben wie
Thatsachen. Und nun
folgen die Konjekturen,
welche für die Priorität
des limousiner Emails
sprechen. Z. B. „Wenn
auch allerdings heute
die Monumente für die
lange Periode vom 6. bis
11. (sagen wir besser 12.)
Jahrhunderte fehlen, so
folgt daraus noch nicht,
dass dieselben nie existirt
haben", oder „Ohne zu
sprechen von jenen Ge-
schenken, welche Kaiser
Tiberius an Chilperich
gesendet, und unter
welchen zweifelsohne (?)
auch emaillirte Gegen-
stände waren, wissen
wir ja, dass Poitiers (?)
schon seit den Zeiten der
heiligen Radegunde ein
ausgezeichnetes kleines
Triptychon (?) besitzt (?),
ein Geschenk des Kaisers
Justinian. Also schon
vier Jahrhunderte früher
als Deutschland war
Aquitanien in der Lage, von einem in jeder Hinsicht
so bedeutenden Werke zu lernen."
Abgesehen von dem monströsen chronologischen
Saltomortale, welches darin steckt, von einem Ereig-
nisse des 6. Jahrhundertes auf ein solches des 10. Jahr-
hundertes zu schliessen, wimmelt dieser Satz von
leichtfertigen Angaben. Das Stück, wovon hier die
Rede ist, war ein Ilcliquar (ein Triptychon des
sechsten Jahrhunderts, das wäre eine wirkliche Rari-
tät!), welches im Kloster Saintc-Oroix zu Poitiers bis
zum Jahre 1792 aufbewahrt wurde, seit jener Zeit
aber verschwunden ist. Eine klösterliche Tradition
Willkommkanne. Der Bauch ans Elfenbein, die Fassung Silber
vergoldet. Niederländische Arbeit des 17. Jahrhunderts.
Höhe m 0,240.