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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 1.1890

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Scherer, Christian: Beiträge zur Geschichte der Kunsttöpferei, [11]: Fürstenberger Porzellanfiguren im Herzoglichen Museum zu Braunschweig
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https://doi.org/10.11588/diglit.3941#0142

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BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE DER KUNSTTÖPFEREI.

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Gleichfalls von unbekannter Hand ist das
zweite Figürchen (Abb. 3), das erst vor kurzem
erworben wurde, nachdem es schon seit längerer
Zeit in einem schlicht weissen Exemplare, einem
modernen Abguss aus der alten Form, in der Por-
zellansammlung des herzoglichen Museums vorhan-
den war. Es stellt eine Venus oder Seegöttin dar,
welche in anmutig bewegter Haltung soeben dem
Bade entsteigt, in der Linken einen Seekrebs, in der
gesenkten Rechten das Ende eines Gewandes hal-
tend, das vom linken Unterarme nach hinten in
schweren Falten auf einen Delphin herniederfällt,
wobei sich ein Zipfel in unschöner Weise über den
Oberschenkel des zurückgesetzten linken Beines legt
und die Schampartie züchtig, aber wenig geschmack-
voll verhüllt. Die Blicke der Göttin sind gesenkt
und ruhen lächelnd auf dem Krebs, der mit seinen
Scheren ihren Arm umspannt hat. Es ist ein an-
mutiges, mythologisches Genrebild, das wir vor uns
haben, durchweht von dem Geist der Zeit und der
Kunst, die es geschaffen und in der Zartheit und
Durchsichtigkeit seiner Farbengebung voll Reiz und
Schönheit. Zwar entbehrt das "Werk im ganzen
jener sorgfältigen Modellirung, welche die Statuette
der Kleopatra auszeichnete, und erscheint in manchen
Teilen verschwommen und wenig scharf, dagegen ist
der Brand untadelhaft gelungen und die dort gerüg-
ten technischen Mängel sind hier nicht wahrnehmbar.
Allein .auch diese Figur ist keine Original-
schöpfung in dem Sinne, dass sie eine neue und
selbständige Idee in sich verkörperte, auch sie ist
vielmehr nichts weiter als die im vorhegenden Falle
geradezu sklavisch getreue Nachbildung eines älteren
Vorbildes. Dieses besitzt das herzogliche Museum
in einer Bronzefigur von vermutlich italienischer
Herkunft. Bis auf die Grösse — die Bronze ist
0,260, die Porzellanfigur 0,170 hoch — stimmen
beide Werke im Ganzen und im Einzelnen so völlig
genau überein, dass hier noch weniger wie bei der
Kleopatra ein Zweifel an der Abhängigkeit des einen
von dem andern bestehen kann. Es ist sicher, der
Bildhauer, welcher die Fürstenberger Figur model-
lirte, muss die wundervolle Bronze des unbekann-
ten italienischen Meisters gekannt und als Vorbild
benutzt haben; denn nur auf diese Weise lässt sich
diese völlige Ubereinstimmng beider Werke genügend
erklären. Den inneren Charakter des Originalwerkes
freilich konnte er seiner Nachbildung nicht ver-
leihen; dazu stand er offenbar zu sehr im Banne der
Kunst seiner Zeit, und so sehen wir denn, wie aus
der hoheitsvollen, fast herben und noch vomxGeist

der klassischen Renaissance durchwehten Schönheit
unter der bildenden Hand des Rokokoplastikers ein
anmutig zierliches und kokett bewegtes Figürchen
ward, dem der Stempel der Kunst seiner Zeit deut-
lich aufgeprägt ist.

Die Sammlung der Bronzen des herzoglichen
Museums scheint den Modelleuren der Fürstenberger
Fabrik noch für manche andere Arbeit Vorbilder
bezw. Anregung gegeben zu haben. So dürfte z. B.
für eine in Biskuit ausgeführte Reiterstatuette des
Mark Aurel, eine Nachbildung der bekannten antiken
Statue auf dem Kapitol in Rom, die mit No, 35
(S. 258) im „Führer" bezeichnete Bronze vorbildlich
gewirkt haben, wenn auch freilich in diesem Falle
nicht ausgeschlossen ist, dass die eine oder andere
der vielen sonstigen Nachbildungen dieser Statue
das Modell für die Porzellanstatuette geliefert hat.
Grössere Wahrscheinlichkeit möchte jedoch die An-
nahme haben, dass die drei kleinen, nur 0,105 hohen
Biskuitbüsten des Homer, Euripides und sog. Arat
nach den in der Antikensammlung aufgestellten
lebensgrossen Erzbüsten modellirt sind, welche aus
dem Besitze des 1689 verstorbenen Gelehrten Gudius
für die Bibliothek zu Wolfenbüttel durch Leibniz
erworben, moderne Nachbildungen antiker Marmor-
büsten sind, die zur Farnesischen Sammlung in
Rom gehörten und sich jetzt in Neapel befinden.J)
Vom Kopfe des Homer wenigstens ist noch jetzt,
wie ich mich persönlich überzeugen konnte, die alte
Form, welche unmittelbar von der Bronzebüste ge-
nommen zu sein scheint, in Fürstenberg vorhanden,
und es ist zu erwarten, dass sich auch die Formen
der übrigen Büsten bei sorgfältigem Suchen, was
mir bis jetzt leider nicht möglich war, noch vor-
finden Averden.

Es kann überhaupt mit Bestimmtheit angenom-
men werden, dass die Zahl der Beispiele von Nach-
bildungen älterer Werke durch die Fürstenberger
Modelleure sich im Laufe der Zeit wesentlich wird
vergrössern lassen. ' Allein es erschien schon jetzt
am Platze, die bis jetzt bekannten hier kurz zu-
sammenzustellen, nachdem vor einiger Zeit J. Lessing
die Arbeitsweise der Porzellanmodelleure und die
Entstehung ihrer Modelle zum Gegenstand einer ein-
gehenden und interessanten Untersuchung gemacht
hatte.2) Ein bescheidener Beitrag zu diesem Thema
sollte der vorstehende Aufsatz sein.

1) Die vierte der hierher gehörigen Büsten, diejenige des
sog. Solon, fehlt in der Porzellansammlung.

2) Das Porzellangeschirr Sulkowski, Kunstge-werbeblatfc.
IV. (1888) S. 43 ff.

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