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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,3.1910

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Heft 15 (1. Maiheft 1910)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9021#0233
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Kultur iu eiuem ernzigen kauf-
mäunischeu Betrieb zu vereiuigen,
iu manchen kunstgewerblichen Ge--
schästen hervor. So in den Ver»
einigten Werkstätten für Kunst im
Handwerk. Was man hier sieht:
dic Möbel, die Teppiche, die Ta-
peten, die Vorhänge, das Porzellan,
die Gläser, die Fahencen, das Lei-
nen, 'die Kissen, die Beleuchtungs-
körper, die Bronzcn, die Bilder,
die tzolzschnitte, die Bücher, die
Blumen, alle diese Gegenstände sind
zu ihrer Umgebung in eine be-
stimmte, künstlerische Beziehung
gebracht. Man vergißt in diesen
Räumen, die von ernem bewuß-
ten, einheitlichen Künstlerwillen or-
ganisiert sind, die Unruhe, das Zer-
flatternde, die Nervosität des mo-
dernen Lebens.

Wird man hier stehenbleiben?
Könnten sich diese Betriebe in ihrem
Drang nach Ausdehnung nicht noch
weiter entwickcln und immer weitere
Gebiete des Handels in ihren Kreis
ziehen und künstlerisch veredeln?
Ich denke an Kleider, Blumen,
Hausgeräte und anderes. Ist man
nicht schon auf dem Wege zum
Kunstwarenhause?

Die Kunsthandlungen und kunst-
gewcrblichen Magazine, von denen
oben die Rede war, sind fast aus-
schließlich auf Käufer aus den be-
güterten Klassen angewiesen. Von
den Wiener Wcrkstätten ganz zu
schweigen. Sollen künstlerisch ge-
formte Gcbrauchs- und Schmuck-
gegenstände in die breitcn Massen
des Volkes dringen, so bietcn sich
heute als bequemste Kanäle die
großen kaufmännischen Betriebe.
Mag nun die Entwicklung sich so
vollziehen, daß die kunstgewerblichen
Unternchmen sich zu großen Häusern
auswachsen, oder daß dic bestehcnden
Warcnhäuser unter dem Einfluß
tüchtiger Künstler ihre eigenen Be-
triebe reorganisieren und gleich-

zeitig ihre Lieferanten zur Erzeu-
gung von geschmackvollen, formen-
schönen Maren zwingen.

Die Künstler sind auf die Händ-
ler angewiesen, aber auch die Händ-
ler auf die Künstler.

Georg Martin Richter

Äber Konstruktion und
Schönheit

sprach vor einiger Zeit A u g u st
Endell vor der Freien Studentcn-
schaft der Eharlottenburger Techni-
schen Hochschule. Er führte etwa
das Folgende aus:

Konstruktion und Schönhest sind
nicht identisch, sondcrn zwei voll-
kommen verschiedene Dinge. Schön-
heit ist die reine Wirkung von
Farbe und Form auf unser Ge-
fühl, ohne alle Beimengung von
Begriffen und Gedanken. Sie auf-
zufassen, setzt Abung im reinen
künstlerischen Sehen voraus. Kon-
struktion aber ist ein Produkt aus
Bedürfnis, theoretisch-konstruktiver
Idee, Material, , Arbestsvorgang
und Wirtschaftlichkeit. Diese Kom-
ponenten ergcben niemals eine
schlechthin bestimmte Form, son-
dern immer eine Form, die in
weiteren oder engeren Grenzen
veränderlich ist; und diese Ver-
änderlichkeit erlaubt dem Künst-
ler, der rein konstruktiven Form
durch Verschiebung der Proportio-
nen Schönheit abzuringen. Frei-
lich kann Konstruktion auch ohne
jede Veränderung schön sein; aber
das ist selten und nur ein Zu°
fall. Dagegen ist alle Konstruktion
die größte Anregerin zur Schaf-
fung tektonischer Form und tck-
tonischer Schönheit. Daher werden
oft Konstruktionsformen, die schon
tektonische Formen geworden sind,
vcrwendet, auch wo die Konstruk-
tion sie nicht verlangt (Pilaster,
Dienste, Rabitzgewölbe), und so

Angewandte

Kunst

(, Maiheft (9(0

(99
 
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