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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,3.1910

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Heft 16 (2. Maiheft 1910)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9021#0293
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dem er sie an Menschengeschick und
Natnrerscheinungen anschließt.

Hat nun der Dichter in den bis-
her erwähnten Stücken durchaus
einen glücklichen Blick ins Wirkliche
bewährt, so hat er, wie man
bald bemerkt, die Hauptmotive der
Volksgesinnung und Volkssagen
sehr wohl aufzufassen verstarrden.
Diese schätzenswerte Ligenschaft
zeigt sich vorzüglich in zwei Volks-
märchen, die er idyllenartig behan-
delt.

Die erste, der »Karfunkel«, eine
gespensterhafte Sage, stellt einen
liederlichen, besonders dem Kar-

als von Bauern erzählt, dem Hörer
entgegen und gewinnen dadurch
sehr viel, indem die wackern naiven
Erzähler, durch lebhafte Proso-
popöien und unmittelbaren Anteil
als an etwas Gegenwärtigem, die
Lebendigkeit des Vorgetragenen zu
erhöhen an der Art haben.

Allen diesen innern guten Eigen-
schaften kommt die bchagliche, naive
Sprache sehr zustatten. Man fin-
det mehrere sinnlich bedeutende
und wohlklingende Worte, teils
jenen Gegenden selbst angehörig,
teils aus dem Französischen und
Italienischen herübergenommen,

tenspiel ergebenen Bauernsohn dar,
der unaufhaltsam dem Bösen ins
Garn läuft, erst die Seinigen,
dann sich zugrunde richtet. Die
Fabel mit der ganzeu Folge der aus
ihr entspringenden Motive ist vor-
trefflich und ebenso die Behand-
lung.

Ein Gleiches kann man von
der zweiten, »der Statthalter
von Schopfheim«, sagen. Sie be-
ginnt ernst und ahndungsvoll,
fast ließe sich ein tragisches Lnde
vermuten; allein sie zieht sich sehr
geschickt einem glücklichcn Ausgang
zu. Eigentlich ist es die Geschichte
von David und Abigail, in moderner
Bauerntracht nicht parodiert, son-
dern verkörpert.

Beide Gedichte, idyllenartig be-
hairdelt, bringen ihre Geschichte,

Worte von einem, von zwei Buch-
staben, Abbreviaturen, Kontrak-
tionen, viele kurze leichte Silben,
neue Neime, welches, mehr als
man glaubt, ein Vorteil für den
Dichter ist. Diese Elemente werden
durch glückliche Konstruktionen und
lebhafte Formen zu einem Stil
zusammengedrängt, der zu diesem
Iwecke vor unsrer Büchersprache
große Vorzüge hat.

Möge es doch dem Verfasser
gefallen, auf diesem Wege fortzu-
fahren, dabei unsre Erinnerungen
über das innere Wesen der
Dichtung vielleicht zu beherzigen
und auch dcm äußern technischen
Teil, besonders seinen reimfreien
Versen, noch einige Aufmerksam-
keit zu schenken, damit sie immer
vollkommener und der Nation ange-

2. Maiheft lM

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