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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,3.1910

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Heft 16 (2. Maiheft 1910)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9021#0295
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„ungebildete" Volk als solches, was
hier spricht, sondern es ist ein aus
dem Volk herausgewachsener nnd
auch als älterer Herr noch mit
seiner Heimat innig zusammenge-
wachsener Poet. Den hören wir
jetzt, wenn wir seinc Gedichte lesen,
nicht das Mcidli unds Müetterli
unds Büebli und den Nachtwächter
und wen er sonst noch reden läßt.
Wir sind heut nicht mehr auf das
damals auffällige Neue eingestellt:
daß einer solche Leutlein dialekt-
sprechend vorführte, und prüfen nicht

prachtvoller Kerl ist er doch, ein
Mensch voll Innigkeit, voll Freude-
fähigkeit, voller Wärme und voller
Liebe. Die fühlen wir nun immer
mit, wo er etwas zeigt, wie etwa
die warme Abendsonne auch etwas
von sich mit sehen läßt, nicht nur
die „Lokalfarbe" der Dinge, die
sie bescheint. Machen wir ihr einen
Vorwurf daraus, wenn sie aus
Eignem dann und wann das Grau
und Braun übergoldet, vielleicht
sogar so, daß man diese „Lokal-
farbe" stellenweise kaum mehr sieht?

mehr ihre Werte auf Herz und
Nieren — sondern wir sind nun
„umgestellt" auf den schwäbi-
schen Pfarrer, dcn wir unter all
seinen dialogischen Formen selber
sehn, wie e r seine Menschen fühlt.
Nicht der Banern als solcher, son-
dern der Hebelschen Bildcr von
den Bauern genießen wir. Es ist
echt Volkstümliches darin (wie
könnt es anders sein!) — das
genießen wir mit, wie er es genoß.
Er mag unserthalben zuzeiten ein
bißchen sentimcntal und pastoral,
mag betrachtsam und verwarne-
lustig sein, wo cin noch größerer
Poet nur aus dem Gezeigten her-
aus erleben lassen würde — ein

Wenn wir die Alemannischen
Gedichte nicht mehr auf ihre Zu-
verlässigkeit als Quellen für Volks-
kunde und Volkspshchologie, sondern
als freundliche Pfarrherrnpoesie
ansehn, so zeigt nns das „Schatzkäst-
lein des rheinischen Hausfreunds"
einen erzieherisch wirkenden Pfarr-
herrn. Aber: keinen, der nur zu
seiner kleinen Gemeinde spricht,
und: keinen, der predigt. Das
deutet auf das Mustergültige des
Buchs. All diese kleinen Geschichten
sind fürs große Volk geschrieben,
das dcr Erzähler nicht körperlich
vor sich sieht, nicht persönlich kennt
und das nicht mit ihm im gleichen
Kreise von Erfahrnngen lebt. Be°

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