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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,3.1910

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Heft 18 (2. Juniheft 1910)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9021#0494
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„Wo der Herrgott den Arm aus-
streckt!" In jeder Gasse, um jede
Ecke tauchen neue auf: da ein
buntes Fähnchen, dort ein Rad,
ein Kranz, ein Laubgewinde, ein
Steinbock, ein Storch, ein Schwan,
eine Krone oder ein bezopfter
Reiter, ein paar Ruderer als Ab°
zeichen der Schifferzunft, nnd das
allerdrolligste, was wir einmal ge°
funden: ein ellenlanger Nasen-

rial, Eisen, Kupfer, unter der
Hand alter Schmiede angenommen,
daß es sich wie Wachs biegen und
modellieren läßt, und daß der
kunstfertige Schmied darin eine
ornamentale Frakturhandschrift
schreiben und seinen Abermut in
einem krausen Schnörkelspiel kund-
geben kann! Man vergißt fast,
daß die Schilder doch eigentlich
Geschäftsankündigungen sind. Und

schild, worauf die Geschichte einer
ledernen Hose erzählt wird. Was
alles an köstlichen Einfällen, an
Handwerker- und Zunftwitz und
an Resten uralter Shmbolik in
diesen Zeichen und Schildern steckt,
davon ließe sich ein schönes Ka°
pitel — Literaturgeschichte erzählen.
Sie sind aber ebensogut Offen-
barungen fröhlich phantasierenden
Geschmackes und nicht zuletzt: einer
tüchtigen Handwerkskunst. Welche
Bildsamkeit hat das spröde Mate-

doch erfüllen sie vollkommen die
künstlerischen Anforderungen, die
wir an cin gutes Plakat stellen
dürfen: indem sie das Gcgen-
ständliche scharf hervorheben und
in schlagender Charakteristik dar-
stcllen. Man sehe daraufhin auf
unsern Vildchen den Steinbock, die
Ruderer, dcn Reiter, die Krone an.

Wieviel fröhlicher, liebenswür-
digcr, anmntiger sind diese alten
Zeichen, als unsre hcutigen Re°
klametafeln mit ihren meterhohen


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