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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,4.1912

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Heft 20 (2. Juliheft 1912)
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Rundsschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9025#0155
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Die Kunstausstellung in
Dresden 2

it der Etikette des Monu--
mental-Dekorativen, unter die
sich wohl noch manches brave
Staffeleibild gern geflüchtet hätte,
so unbehaglich sich auch viele der
mit ihr geschmückten großen Lein-
wande zu fühlen scheinen, ist die
Plastik verschont geblieben. Nicht
mit Unrecht. Denn der Drang ins
Architektonische, der sie in nahezu
allen ihren Richtungen und Schu-
len beseelt, bringt es ganz von
selbst mit sich, daß sie für ihr We-
sen als Denkmal oder schmückendes
Raumelement nicht erst nach außen
hin durch einen Gruppenstempel
einer offiziellen Beglaubigung be-
darf. Die Grenzen dieser beiden
künstlerischen Daseinsformen fließen
allerdings hier fast noch mehr in-
einander als bei der Flächenkunst.
Nur selten begegnet man Schöpfun-
gen, die Größe der Gesinnung mit
Größe der Form so vereinigen, daß
ihr Streben ins Zeitlos-Dauerbare
durch den Ernst ihrer geistigen Po-
tenz gerechtfertigt erscheinen dürfte.
Auch Franz Metzner hält solchem
Maßstabe durchaus nicht immer
stand. Zwar den Stil Hat er, und
mit einer künstlerischen Konsequenz,
deren Geradlinigkeit bewunderns-
wert ist, packt er seine Aufgaben
an. Aber die Manier schaut schon
aus zahlreichen Falten der germa-
nischen Toga heraus, und in dem
ewigen Fortissimo der muskulösen
Körperlichkeiten muß die leise Me-
lodie des physiognomischen Aus-
drucks völlig untergehen. Warum
das gewaltige Denkmal, das
Deutschland dem Andenken an die
Völkerschlacht errichtet, ausschließ-
lich von diesem Geschlecht freudloser,
in dumpfem Brüten dienstbarer Ti-
tanen bevölkert werden muß, wird
der schlichte Patriot kaum begrei-

fen. Auch Anton Hanaks Men-
schen sind aus der dunkeln Nacht
und den wirren Träumen einer
lichtscheuen Imagination geboren,
auch auf ihnen ruht die Last eines
düstern Schicksals, unter der sie
angstvoll stöhnen und der sie jeden
Augenblick zu erliegen drohen. Die
plastische Sprache, deren sich Hanak
bedient, zeigt Laute Metznerscher
wie Rodinscher Herkunft und ver-
liert sich häufig in einem gequälten
Stammeln, dem die Inbrunst der
Empfindung doch nicht das Gepräge
des ästhetisch Notwendigen verlei-
hen kann. A-nter den österreichern
sonst scheint das Slawentum immer
mehr zur tonangebenden Macht
zu werden: einer Erschseinung
wie des Pragers Ian Stursa üppi-
ger „Tänzerin" gegenüber dürfte
das germanische oder, wie man
hier vielleicht sagen muß, deutsch-
völkische Formgefühl völlig ver-
sagen. Eine schlichte und ganz ohne
Gewaltmittel ausgereifte Arbeit wie
Ioseph Heus „Porträt meiner Mut-
ter" prägt sich unter allen diesen,
fast schon ins Ethnologische fallen-
den Wesen doppelt wohltuend ein.
Hugo Lederers kolossaler „Ringer"
läßt das glänzende Können seines
Meisters nur in Andeutungen spü-
ren; von den Berlinern hat ihm
Alexander Oppler mit einer „Eva"
von wunderbar beherrschter Bewe-
gung und edlem Stil diesmal den
Rang abgelaufen. Anter den
Münchnern fällt die außerordent-
lich kluge Lharakteristik der Büsten
von Eharles Iaeckle auf, uuter den
Dresdnern die Frische eines Silens
von Edmund Möller, die stilistisch
sichere Durchbildung einer Brun-
nenfigur von Alexander Höfer und
die schöne innere Ruhe einer Ado-
nisgestalt von Richard König.

Wer gekommen ist, um stark Ge-
tränke zu schlürfen, wird aus den
Sälen der Skulptur nicht unbefrie-

Kunstwart XXV, 20
 
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