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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,4.1912

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Heft 24 (2. Septemberheft 1912)
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Rundsschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9025#0486
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Rumpflänge zu kurzen Beinen, selt-
ner mit schlanker Figur. Wie alle
diese Lypen der Haltung, kann
aber jeder von uns, wie auch der
Bau seines Körpers sein mag, sie
willkürlich nach folgenden Anwei-
sungen annehmen, es sei denn die,
die er schon von Natur hat. Man
schiebt den Rnterleib wagerecht,
in der Richtung des auf Fig. s be-
findlichen Pfeils vor. Fig. l zeigt
an einem Körper, der sonst gewohn-
heitsmäßig die Haltung des III. Ty-
pus (Fig. 3) besitzt, die Haltung
des I. Typus. Man sieht, wie die
Rückseite und Vorderseite des Kör-
pers sozusagen tonnenartig ausge-
glichen wird, der Verlauf der Rük-
kenlinie, wie der Vorderseite des
Körpers ist ziemlich gleichmäßig,
ohne starke Krümmung oder Wel-
lung.* Die Stimme des „Läsaren"--
Thpus hat dunklen und weichen
Klang. Wer diese Haltung will-
kürlich annimmt, bewirkt dadurch
ebensalls, daß seine Stimme einen
dunklen und weichen Klang erhält,
mag sie auch vor Annahme dieser
Haltung heller oder vielleicht auch
härter geklungen haben. Das außer-
ordentlich Merkwürdige ist nun, daß
man gerade diese Haltung des
I. Typus annehmen muß, wenn

* Die dem Texte beigegebenen
Abbildungen sind mit Genehmigung
des Beckschen Verlags, München,
meinem Buch „Sprache, Gesang
und Körperhaltung" entnommen.
Das kleine Handbuch (2,80 M.) ent-
hält neben Abbildungen nach dem
Leben, alphabetischen Äbersichten
der nach Typus und Unter-
art untersuchten Ton- und Sprach-
dichtungen noch Äbersichtstabellen
nebst einer kurzen und knappen, aus
die Bedürfnisse der Praxis der
Sänger, Schauspieler, Sprachfor-
scher usw. zugeschnittenen Einsüh-
rung in die neue Lehre.

man Tondichtungen, Sprachdich-
tungen oder sogar nur Briefe von
Persönlichkeiten, die gewohnheits-
mäßig und als Ausdruck ihres eige-
nen Fühlens die Haltung des I. Ty-
pus im Leben hatten, ausdrucks-
voll und wirksam wiedergeben will.
So muß man, um zum Beispiel
Cäsars bellum ^MWum, natürlich
lateinisch, ausdrucksvoll und wirk-
sam zu lesen, den l. Typus der
Haltung, also Cäsars Haltung an-
nehmen. Will man Briefe oder
Tondichtungen von Mozart vortra-
gen, der demselben Thpus angehört,
so empfiehlt sich das Gleiche; ebenso
für Goethe, der wie viele Rhein-
länder die Haltung des I. Typus
besaß (übrigens das dieser Haltung
häufig gepaarte Merkmal der kurzen
Beine). Auch Napoleon hielt
sich so, wovon man sich durch zahl-
reiche Bildnisse überzeugen kann.
Nur in dieser Haltung kann man
auch zum Beispiel folgende Stelle
aus einem Brief Napoleons an
seine Frau Iosephine sprechen:

„ . . . L'on m'a äonns ici uns §ranäe
kcte. s a 600 joIie8 st eleZanteg ü§ure8
cbercboient a me plaire; mai8 sncune
ne te re88embIoit, aucune n'avoit
cette pkwionomie ctouce et meloäieime
gui e8t 8i bien gravee äan8 mon
eoeur: ^je ns voxow gue toi, je ne
pen8oi8 gus toi. Cela me renäit
tout in^uportable, et une äemie keure
apre8 ^ etre entre, je me mi8 en aller
ms coucbant tri8temsnt et me äwant.
voyla cepeäant vuiäs la placs äe
mon aäorable petite ksmme ..

Ganz anders ist die Haltung des
sogenannten II. Typus, die nicht
mit dunklem und weichem, sondern
mit hellem und weichem Stimm-
klang gepaart ist. Man nimmt sie,
indem man die Muskeln über den
Hüftknochen wagrecht nach rück-
wärts schiebt, in der Richtung des
Pseiles auf Figur 2, wobei gleich-
zeitig mit Notwendigkeit die Brust

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