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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,1.1928-1929

DOI issue:
Heft 1 (Oktoberheft 1928)
DOI article:
Trentini, Albert: Wiederkehr der Freude
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.8885#0028

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Eine plöHliche schwere Erkrankung — Herz — und, gleich darauf, — kösl-
lich, nichk? — das Drängen merner Gläubiger zwangen mich zur Flucht!
Wie ich dich lächeln sehe! Und du hast recht. Aber ich entblöße dir mik
diesem Geständnis ja nichk nur meine Schande, sondern auch das innerste
Geheimnis der „Weltlust"; das Geheimnis ihrer Magie! Sie macht ihre
Opser — bequem! Bequemlichkeit, Faulheit, Gleichgültigkeit, Widerstand-
scheu, Arbeitsunlust, Kampfangst, — das sind die Instinkte, die sie krisft!
An jedem anderen, uusehlbar wie ein Sonntagsjäger, schießt sie vorbei. Diese
aber — wie ein MeisterschüHe krisst sie ebenso unsehlbar!

*

Noch einmal mußte ich unterbrechen, so sehr schäme ich mich! Jch hatte
mir, nachdem die Erkenntnis, daß ich zugrundezugehen drohte, einmal in mir
aufgebliht war, jede Skrase und Rache, die mich sür meinen Leichtsinn
tressen mußte, nicht nur genau vorgemalt, sondern auch, besonders zuleht,
inbrünstig herabgesleht! Ich war, zweitens, ununterbrochen völlig überzeugt
davon, daß ich nur in die Armeleuteexistenz dieses Ateliers zurückzukehren
brauchte, um im N!u wieder der Alte sein zu können. Beides waren Knaben-
irrtümer! Ich bin nun schon vier Monate lang wieder zwischen diesen vier
Wänden, und trotzdem noch immer nichk, ja nichk einmal in einem einzigen
Zug meiner Person, wieder der Alte! lknd selbst meine verwegenste Phan-
tasie häkke es nicht zustande gebracht, sich die Promptheit und üppige Mannig-
salk der Vergeltungen vorzustellen, die nun seik vier Monaken auf mich
herabregnen. Ich wußte immer: Reue ist das Einsehen, zwischen zwei
gegebenen Möglichkeiten die falsche gewählt zu haben; und „Vergeltung":
das Hereinkommen eines Lebenszustandes, der das genaue Gegenkeil jenes dar-
stellt, der vergolten werden soll. Allein, wie Leuflisch unbarmherzig diese
beiden Wahrheiken züchtigen können, sobald sie Wirklichkeit geworden sind,
davon. . .

Kurz: ich „büße" jetzt. llnd büße widerstrebmd; bei zusammengebissenen
Zähnen.

Aber ertrage es auch so kaum. Fühle vielmehr jeden Stich als eine Tortur
von Lebenslänge und mik der unbeschränkten Machk ausgestaktek, sich bis zum
Wahnsinnigmachen zu steigern.

llnd rebelliere nur deshalb nicht dagegen, weil die Aussichtslosigkeit jedes
Ausruhrs seststeht!

Deuksch gesagt: ich bin unglücklich! Vollendek unglücklich! Ncin, nein, dies-
mal magst du das wörtlich nehmen! Ich empfinde nicht Wollust an diesem
llnglück! Schwelge nicht im Erdulden! Sondern versluche beide! llnd
wie! Denn ich möchte am liebsten — zurück; ja, ganz einfach zurück in die
„Welt". Aber — kann es nicht! Die Arzke machen mir kein sür ein ll
vor. Außerdem ist von meiner ganzen Habe höchstens noch ein Sessel versetz-
bar. Endlich jedoch: nichk einmal die Sekunde des ersten Wiedersehens ertrüge
ich ohne Katastrophe; es ist nur eine Illusion, aber sreilich eine teuflische,
daß ich meine, ich möchte zurück!

Aber auch in mein früheres Leben kann ich nicht mehr zurück. Niemals mehr!
Ich kannte stets meine Grenzen. Aber innerhalb dieser Grenzen war ich früher

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