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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,1.1928-1929

DOI Heft:
Heft 1 (Oktoberheft 1928)
DOI Artikel:
Trentini, Albert: Wiederkehr der Freude
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https://doi.org/10.11588/diglit.8885#0029

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Jemand; war ich der, der ich war! Und wußke das, und glaubte daran!
HeuLe bin ich nichks mehr, gar nichLs mehr! NichL nur, weil ich nichL mehr
malen kann — es nichL einmal enkbehre, daß ich nicht mehr kann, ja sogar nichL
einmal mehr wollLe, auch wenn ich noch könnLe! Sondern, weil mich die
Welt nichL nur angefressen, sondern mit HauL und Haar aufgefressen haL! Jch
weiß heute zum Beispiel ganz genau, daß ich niemals auch nur einen Funken
echten TalenLs besaß; DiletLanLisnms undSelbftüberfieigerung war alles, was ich
gemalL habe! ÜberhaupL aber, das volle Negativum meines CharakLers enk-
hüllt sich mir heute. Meldeutig ift er; unterirdifch beftimmt; GelLungsLrieb
war der einzige Beweggrund meines Handelns! Deshalb ift sogar meine „Bil-
dung", die ich früher für durchaus überdurchfchnitklich gehalken habe, heute
dahin: so, wie ich jeHt nichts mehr bin und nichts mehr kann, weiß ich auch
nichLs mehr! Was aber die Gänze und EndgültigkeiL meines Ruins am un-
widerleglichften beweift, ift die TaLsache, daß ich heute nicht mehr, wie früher
ftets, des Strebens nach Erklimmung einer „höheren" Skufe, gar: der höch-
ften, die ich bei höchfter Anspannung meiner Energien erreichen könnke, fähig
bin; ja nicht einmal mehr daran glaube, daß solches Skreben einen menfch-
lichen Wert bedeute.

Kann man Liefer herunterkommen?

Dritte Zäsur!

Aber diese hat einen anderen Grund, als die zwei früheren. Schriebe ich dir
diesen Brief doch gewiß nicht, wenn ich dir nur sagen wollte, daß ich herunker-
gekommen bin! Nrin! Jch fchreibe ihn dir einzig darum, weil ich, Lrotz
diesem HerunLergekommensein und LroH meinem Unglück — grenzenlos,
mehr, unbefchreiblich glücklich bin! Warum? Weil ich mich endlich wie-
dcr, und obwohl ich mich durchaus als zum RkichLs heruntergekommen er-
kenne, — weil ich mich endlich wieder als Menfchen fühle! Und warum
mich als Menfchen fühle? Einzig deshalb, weil ich endlich wieder: leide; bis
ins Mark, ja, bis an den Willen zu leben hinan, leide! Das Leid ift mir
wiedergekommen, so fcheinL es. Jn Wahrhei'L aber ift mir die Freude wieder-
gekommen. „Wozu, um GotLeswillen, muß ich denn ein M ensch bleiben,"
fragte ich mich unzählige Male verzweifelt in jenen Monaten der „Weltlujt",
„währenddem Lch da genieße? Ein höher organisierkes Tier genügke ja völlig
dazu!" Heuke, indem ich die Llfche betrachke, zu der ich verbrannt bin, aber
keine Träne darüber zu weinen vermag, weil mir der Anblick dieser Afche
das erkrankte Herz abdrückt; heute, vor dieser Afche, mit diesem niederLrächki-
gen Afthma und bei diesem faft fchon komödiehafken Hungern und Alleinsein,
— heute frage ich mich niemals: „Warum denn, um GoLLeswillen, muß ich
ein Menfch bleiben, währcnddem ich dies alles fluchend erleide?" Viele
Widersprüche, Edith, wirft du in diesem Briefe entdecken. Aber diesen un-
reimbarften von allen: daß ein Menfch knirfchend Fäufte ballk, weil er für
ein paar MonaLe „Weltlebens" miL hoffnungsloser Krüppelfchafk beftrafL
wird, und dennoch hingerissen frohlockt: „Aber meine Würde, mein Lebens-
recht, meine MenfchlegiLimation habe ich wieder; denn ich leide!" — dieses
Widerspruches Lösung wirft gerade du, EdiLh, von mir nichk begehren!

Aber nicht etwa, daß sich mein Glück in der Wonne dieses Gefühls, die>er

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