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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,1.1928-1929

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Heft 2 (Novemberheft 1928)
DOI Artikel:
Popp, Joseph: Die Technik, [1]: ihre Leistungen, Gefahren und Probleme
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https://doi.org/10.11588/diglit.8885#0128

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selben ln ihrem besonderen WerLe zu erfassen und diesen in die Ordnung der
allgemeinen MenschherLswerte gebührend einzureihen. Während die Natur-
wissenschaft Erkenntnis der Nakur im einzelnen wie in ihrem Aufbau und
ihren GeseHen erftrebk und damit einen rein idealeu Zweck verfolgk, bedient
sich die Technik dieser Einsichten und Erfahrungen, um die Naturdinge und
-kräfte dem Menfchen praktifch dienftbar zu machen.

Die Technik verbesserk und vermehrt die bisherigen Arbeiksmittel und -metho-
den und erreicht damit eine außerordentliche Steigerung der Arbeitsleiftung,
vor allem durch die Mafchine, die Werkzeug-, Transport- und Arbeitsmafchine
ift. Sie hat der Menfchheik einen großen Teil der fchweren und groben Arbeit
abgenommen, wie für die leichtere und feinere Arbeik eine ungemeine Verbesse-
rung und Exakcheit erreicht — durchweg bedacht auf möglichft bequeme Ge-
brauchsfähigkeit, Berlässigkeik und Wiederholbarkeit ihrer Leiftungen. Man
schäht die Lägliche Arbeitsleiftung der Motoren auf ein zwölfftündiges Schaffen
von 2000 Millionen Sklaven.

Die Technik schafft aber auch Gerätfchaften aller Ark, bis zum baulichen Ge-
bilde; alle möglichft knapp, klar, zweckdienlich geftaltend. So erftehen Formen
von besonderer Erfcheinung, die bei Bedarf als Massenartikel herftellbar sind
und eine ungeheure Fülle des Gegenftändlrchen nach Art und Zahl ergeben.
Durch ihre verhältnismäßige Billigkeit sind sie auch den Massen zugänglich
und erleichtern vielfach deren nächfte Lebensbedürfnisse. Diese neuen Formen
und Konftruktionen besitzen aber auch mancherlei Schönheit. Die „Schönheit
des Technifchen" erfchließt neben der Nütur und Kunft neue Schönheiks-
elemente.

Die Technik hat uns Kräfke wie Dampf, Gas, Elektrizität, Radiowellcn,
Röntgenftrahlen, Radium u. a. nuHbar gemacht. Sie hak auch die Welt der
Stoffe vermehrt, durch NuHftoffe wie den Kunftftein, die Kunftseide — bis zum
Surrogat für den Edelftein; sie hat Stoffe wesentlich verbesserk wie Eisen
zu Stahl, Stahl zu Nickelftahl usw. Damit wurden Statik und Dynamik,
namentlich in der Baukunst, zu ganz neuen Möglichkeiten geführt.

Haben uns die Naturwissenfchaften die äußere Wirklichkeit in ihrer verwir-
renden Fülle, bedrückenden Dunkelheit und Enge geiftig geordnet, aufge-
lichtet und ausgeweitet, so werden durch die Technik die Naturkräfte in
weitgehendem Maße unsere Kräfte, werden wir deren bedrohlicher Gewalk
leichter Herr und Meifter, erringen wir über Zeik und Raum mehr Gewalt, als
irgendeine frühere Zeit auch nur ahnke. Das AntliH der Erde wurde noch uie
so umgeftaltet wie in der Bodenkulkur, Kanalisation, Flußregulierung, im
Wegbau und Verkehrswesen; wie haben sich Hygiene, Nachrichtendienft und
Znduftrie entwickelt, welche Förderungen erfuhren Physik, Chemie und Mathe-
matik; zwei Drittel der Menfchheit ftehen irgendwie im Dienft der Technik;
wir könnken ohne sie nicht mehr leben, im wörtlichften Sinn.

Da die technifche Arbeit, nicht nur als Mafchinenarbeit, sich nach dem GeseH
der Hkonomie vollzieht, eignet ihr eine weitgehende Arbeitsteilung, die auch
große Aufgabcn verhältnismäßig fchnell und gut durchführen läßk. Und für
all das verlangt sie eine weikgehende Selbftlosigkeit vom fchöpferifchen und
leitenden Ingenieur bis zum ausführenden Kleinarbeiter, einen klaren Blick,
Bedächtigkeit, Zähigkeik, Verlässigkeit. Der kategorifche Imperakiv der Pflicht

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