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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,1.1928-1929

DOI Heft:
Heft 4 (Januarheft 1929)
DOI Artikel:
Pechmann, Alice von: Die Frau und die moderne Wohnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.8885#0297

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häufig entgegen. Es ist schwer, da zu entscheiden. Sicherlich dürfen seelische
Werte niemals in zweite Linie gesetzt werden, aber die eindringliche Prüsung,
ob wirklich solche in Frage stehen, sollte man jeder Frau, die ein Heim
gestaltet, nahelegen. Der unbefangene Beobachker, der in die Wohnung trikt,
sieht nur allzuost eine Füllc von Dingen, bei denen ihn das Bedauern be-
schleicht, daß sich an sie und ihre Banalikäk ein Herz gehängk haben sollte.
Die schlimme Lehre vom Werte aller Sachgüter, die die Jnflation nnseren
Frauen eingehämmert hat, wird von ihnen wohl kaum schnell vergessen wer-
den können, sind doch Mobiliar und Wertsachen der einzige Besitz gewesen,
der der Bernichtung slandgehalten hat. Wie kann man es nun den Frauen
verargen, wenn sie jetzt nicht nur an dem subjektiven, sondern am ivbjektiven
Werte der Dinge allzu beharrlich hängen? Fede Frau muß für sich auf
diese Frage ihre Antwort finden. Gegen die Befreiung der Wohnung von
überslüssigen Dingen zeigt sich bei vielen, besonders bei der älteren Genera-
tion, eine leidenschaftliche Abwehr. Man befürchtek, daß dieses Bestreben
der Füngeren alle Gemütswerke vernichten wird und nur verstandesmäßige
Kälte herrschen lasse. Da kann man nichk ost genug betonen, daß die Gemük-
lichkeit, die aus Ansammlung vieler Dinge im Heim beruht, in früheren
Epochen bei uns unbekannt war, erst in der letzken Hälfte des vergangenen
Iahrhunderts kamen solche Moden aus. Vergeblich sucht man aus den Bil-
dern, die uns das Aussehen alter Wohnräume zeigen, nach all dcm, was cine
spätere Zeit als Nippsachen, bric L drac um sich anhänste. Wie groß und
klar und leer sind die Räume das ganze Mittelalter hindurch, durch alle
Stilperioden bis weit in das Biedermeier hinein! Die Menschen in den
Ränmen sind das Wesentliche, nichk die Dinge. 2lndere Kulturen sind von
dieser Entwicklung srei geblieben; leer und einfach sind die schlichken Wohn-
räume des Iapaners, nur durch einige wechselnde Kunßwerke belebk. Auch in
Amerika sind die Häuser mik sehr weiser Beschränkung eingcrichtet. Nüchts
Ilnnützes süllk den Raum, nur die nötigsten Möbel sind vorhanden. Eine
kleine Oberschicht mag durch enge Berührung mit europäischer Kultur von
dieser weisen Beschränkung abgehen, eine Überfülle an Sachcn ist aber wohl
überall vermieden.

Ie weniger Dinge einen Raum füllen, um so stärker wird die Bedeutung
des Einzelnen. Wieviel mehr liebevolle Sorgfalt und Durcharbeitung könnten
die meisten Dinge, die ein Haus brauchk, noch sinden! Tausend reizvolle 2luf-
gabcn bietet auch das moderne Heim. Wie serne sind wir den Zeiten, da jedes
Stück liebevoll durchgebildek war, wie schwer ist es, gutes und schönes Tischgeräk
zu sinden, wie selten isi das Problem der modernen Beleuchtung in aller der iu
ihm liegenden Fülle von Reiz und Glanz oder Heimlichkeit gelösi!

Nicht nur die Form der Dinge, auch die Form der Räume isi wichtig.
Ienes schwer zu schildcrnde Gefühl der Harmonie, das jeder wohlgesialtete
Raum zu schenken vermag, aus dem eine Geborgenheik auf uns sirömt, muß
uns auch wicder in unseren eigenen Wohnungen einhüllen, wie es als cin fast
selbsiverständliches Geschenk aus allcn Näumen früherer, lebendigerer Zeiken
uns anweht. Ünversiegliche Glücksquellen kanu so der Baumeister schenken,
nur durch die Form, die Harmonie der Räume. Die Farbe isi auch ein Ge-
schenk der neuesien Zeit; rein, kräftig und froh kann sie gebrauchk werden.
 
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