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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,1.1928-1929

DOI Heft:
Heft 5 (Februarheft 1929)
DOI Artikel:
Rupé, Hans: Gotthold Ephraim Lessing: zu seinem 200. Geburtstage
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https://doi.org/10.11588/diglit.8885#0349

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VandLe des großen Friedrich, der gcrade wegen dieser AffinitäL nicht mit diesem
zusannnentressen, geschweige denn nnt ihm verkraut werdcn durste. Glcicht nichk
der Kamps um die Wolscnbüttler Fragmente, den Lessing cntsesselte, in dem
er die Gegner aller Richkungen hervorries, nm sie einzeln zu schlagcn und ihrc
Vcrbindungen zu durchbrechcn, dem Siebenjährigen Kriege, gleichen die bciden
sich nicht in ihrer selbstgewählten und rastlosen Altersvercinsarnung? Denn Les-
sing war alt und ausgebrauchk, als er nüt zweiundsünfzig Fahren starb.

Es ist schwerer und verantwortungsvoller, in das Wesen eines geistig Han-
delndcn eindringen zu wollen, als in das Bercich eines Künstlers; das Ber-
hältnis zu diesem wird weniger von ihm selbst bestimmk als von der Sym
pathie, dcr seelischen Bereitschast des einzelnen, ob dieser nun die Tiefe der
schöpferischen Krafk zu ermessen sähig sei odcr nicht. Gleichviel. Er wird von
seineni Schwnnge erhoben und beseligt werden. Anders mik jenem; denn er
verlangt, daß man ihm gewachsen sei, daß man ihn in seiner jeweiligcn Posi-
Lion begreise und nicht das irrationale Moment auszuschaltcn suche, das den
Wert dee Handelns ausmacht. Dic Wcrke Lessings haben keinc Konkinui'tät,
wie etwa die cines Kank, Goethe oder Schiller, sie sind vielmehr Ablage-
rungen, gcwalkige Fragmenke eines geistigen Prozesses, der mchr erperimen-
tierend als analytisch der Wahrheik näherzukommen sucht, sie sind auch heuke
noch (nach einem Ausdruck Friedrich Schlegels) ein wahres Labyrinth, in
welches man äußerst leicht dcn Eingang, aus dem man abcr nnr nnt der äußer-
sten Schwierigkeit den Ausweg findcn kann. Gewiß kann man die Problem-
stellungen Lessings wie sie in Laokoon, in der Dramakurgie und in scinen theolo-
gischen Streit- und Thesenschristen vorliegcn, historisch bckrachten, kritisch wür-
digen oder widerlegen; man müßte es nur im Geiste Lessings tun nnd nic die
Gesinnung vergessen, die mehr wirken und wachrusen als belehren will.

Jhm selbst war es nicht um die Historie, ni'chk um den Wert des einmal nur in
seiner bestimmken Form und unter bestimmten Bedingungen Gedachken zu kun,
sondern um die Wege und Jrrwege dcs einen Gedankens zur Wahrheit. Wer
sie betreten hatte, war ihm gleichgültig, ob Leibniz, ob Spinoza. Wenn er sich
mit ihnen identisizierte, so geschah cs nicht aus dem iOerständnis ihres ganzen
Systems, sondern aus der Begeguung nnr eineiu ihrer Gedanken. Fhre Lehren
kounteii sich sogar in scinern Geiste berühren und verciuen. Der Weg zur iWahr-
heik sührte nichk durch die Geschichke der Philosophie, nicht durch die Gebieke
der Ästhetik und ihre dramatische Anwenduug — er wars die Früchte sort
wie der Herbst die Bäume schüttelt —, soudern durch das Gestrüpp der theo-
logi'scheu Streitigkeiten, di'e ihn, denn cr war ei'u angreisbarcr, wcil angreiss-
lustigcr Mensch, vor dcr Zeit zermürbten und zerstörtcn. Aber in dieser Zeit
seHL er, seHen ihn scine Liessten Gedanken ein, die den Sinn seines Lebeus be-
stätigen und erhöhen:

„Zst es besser, nur ein Ding zu wissen, oder mehrere? Wclche Frage! Wenn
man nun unter diesen mehreren auch dieses Eine weiß. Es kann überslüssig
sein, mehrcre zu wissen: aber es wird darum nicht besser, nur Eins zu wissen. -
Freilich, wcnn cs ausgemacht ist, daß man mchrere Dinge unmöglich so gründ-
lich, so fertig wissen kann, als cin Einziges, dem man alle seine Zeit, alle seine
Kräste gewidmet hat. Wenn es ausgemacht ist! Jst das denn aber sv ausge-
macht, als man aninmmL? — klnd doch geseHL, es wäre. Auch alsdenn sragk
 
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