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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,1.1928-1929

DOI Heft:
Heft 5 (Februarheft 1929)
DOI Artikel:
Popp, Joseph: Kunst und Technik
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Michel, Wilhelm: Der Tod des Hauptmanns Toboggan: eine Rede
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https://doi.org/10.11588/diglit.8885#0371

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bedicnen. Das haL die neue Technik mir der alten gemein, dag sie gegenüber
der Kunst durchaus Dienerin, Nrittel zum Zwcck ist, wie sie ihre wirkliche
ästhetische oder selbst künstlerische Wirknng ebcn der Knnst verdankt.

Der Tod des HaupLmanns Toboggan

Eine Rede von Wilhelm Michel

enn ich im folgenden zu Gerhard Menzels Schauspiel „Toboggan"*

das Wort nehme, so leitet mich keineswegs die Absicht, eine Dichtung
zu erklären, sondern ich verfolge den allgemeineren Zweck, ein Beispiel moder-
ner Kunstbetrachtung zu geben; jener Kunstbetrachtung, die sich nicht mehr
genügen läßt an der Würdigung ästhetischer Reize, sondern die das Kunst-
werk vor allem als ein Zeichen sür Lebendiges nimmt, als ein Zeichen sür
Dinge, die unser Leben angehen. Es ist in der Össentlichkeit noch wenig
bekannt und verdient daher, klar gesagt zu werden: die moderne Kunßbe-
Lrachtung** ist nicht mehr ästhetisch, sondern ethisch eingestellt; wobei
unter ethischer Einstellung nicht moralistische Engherzigkeit zu verstehen ist,
sondern etwas viel Höhercs: die Bekrachtung des Kunstwerks nach den
kernhaften L e b e n s i n te r e s s e n der Hörer und Beschauer. Es ist uns
nicht mehr erlanbt, seinschmeckerisch oder genießerisch vor dem Kunstwerk
zu stehen, sondern uns muß in erster Linie interessieren: 2lus welcher Lebens-
regung ist es entsprungen? Wie greist es praktisch in unser Denken nnd Füh-
len ein? Was weiß es von unseren Bcdrängnissen? Hak es diesen Bedräng
nissen ein lösendes, ein deutendes, ein vorantreibendes Work zu sagen?

Die crste Frage, die zu beantworkcn ist, laukct zunächst einsach: Was
gehk in dem Stück vor? Das läßk sich mit kurzen Worken sagen. Der
Haupkmann Hans Toboggan, Führer einer deutschen Artillerie-2lbteilung,
wird im Gesechksstand einer seiner Batterien durch einen Granatsplitter
schwer verwundet. Die Wunde ist an sich nicht Lödlich. Als aber der Arzt den
in dcn llnterstand kransportierten Berwundeten untersucht, sindet cr seinen
Zustand durch Blutvcrlust und Wundfieber so sehr verschlimmert, daß cr ihm
nur noch wenige Minuten des Lebens gibt. Toboggan hört das Todesurteil
des Arzkes; cr hört auch, wic der Befehlshaber seinen Nvmen in der Listc
streichen läßt, er hört, wie er kurzerhand scinen Nachfolger bestimmt. Und da,
als er sieht, wie leichk und achtlos die Lebenden über ihn und seinen Tod
hinweggehen, bäumt sich in ihm cin Grimm auf: er enkschließk sich, weiter-
zuleben, er seht der Willkür des Todes dic Willkür seines Willens ent-
gegen, er verweigert dem Tode den Gehorsam, er denkt nicht daran, zu sterben.
Ilnd vermöge dieses Gewaltaktes seincs Willens bleibt er am Leben. Zusani
men mit anderen Heimkehrern hälk er hinker der Fronk einen Eisenbahnzug an
und kommt so in die Heimat zu sciner Geliebten 2lnna Kamarra. Sie wendet
sich aber von ihm ab, da sie inzwischen einen andern liebgewonnen hak. To-
boggan gehk hinaus in die Nacht, zerbrochen durch diese schwere Entkäuschung,
läßk sich ini Park am Wege nieder und schläfk unter fallendcm Schnec in
den Tod hinüber.

AIs Buch bei Gustav Kiepenheuer. Veelag, Potsdaui, erschienen. — " Es hanbelt silh liicr
uui cinen Tnp, ber erst in AnsäHen vorhanden ist.
 
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