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Kunstwart und Kulturwart — 27,3.1914

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Heft 14 (2. Aprilheft 1914)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14289#0162

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könnte die langersehnte Annahrne
dieses segensreichen, amerikanischem
Beispiel folgenden Gesetzes jetzt noch
verhindern.

Und wir?

Verkehrsreklame

unserm Zeitalter strebt alles
onach Deutlichkeit, schnelles Er«
fassen sichert einer Sache den Sieg.
Denn was Zeit kostet, schreckt heute ab.

Das bildet einen Grundsatz auch
in der Reklame als Dienerin ge«
schäftlicher Erfolge. Diese Dame
greift zu Worten, aber sie verzichtet
noch lieber auf sie> wenn sie ein
schneller wirkendes Mittel als Worte
erspäht. Worte sind heute zu lang«
sam. Der Begriff greift zum Bilde,
und meist ist dieser Griff ein glück-
licher: er führt zum augenblicklichen
Begreifen und zu dem Gedanken:
greif zu.

In dieser tzinsicht wollen die
kleinen Reproduktionen gewertet
sein, die in Form von Ansichtspost«
karten tagaus, tagein in Millionen
von Exemplaren um den Erdball
reisen. Wechselnd in den Darbie-
tungen, wie das Wetter, schön und
häßlich, immer aber mit einer Ten-
denz. Bei all diesen eifrigen und
naiven Bestrebungen, die Aufmerk-
samkeit auf sich zu lenken, findet der
aufmerksame Beobachter, daß fast
99 vom tzundert „Außerlichkeiten"
im buchstäblichen Sinne darbieten.
Nur selten wagt es jemand, Künst-
ler zu sein. Zwei Karten als Bei-
spiel: Auf der einen — aus Öster-
reich — hat der mir persönlich äs
äato unbekannte Absender die An-
sicht kund getan: die beste Reklame
für mein Geschäft bin ich selbst.
Deswegen prangt auf der Vorder-
seite sein wohlgelungenes Konterfei;
so glaubt er, das sieht man ihm an.
Glaube ist eine persönliche Ange-
legenheit, man kann deswegen nicht
gleich nach Schwert und Wage rufen,
aber gewagt bleibt ein solches Spiel

mit der eigenen ehrenwerten Per-
sönlichkeit immerhin. Die andere
Karte ist aus der Schweiz. Da steht
das wuchtige tzaus vor mir, an dem
alles „Arbeit" spricht, mitten in der
Arbeit zeigt sich der Besitzer, der
allerdings als solcher nicht heraus-
zukennen ist, und selbst die tzausfrau
läßt die Ergebnisse emsigen Schaf-
fens auf der Waschleine sichtbar
werden. Entsetzlich! werden die
Damen sagen, an die ich jetzt denke.
— Natürlich! sagen andere, und ich
glaube, sie treffen eher das Richtige.

Richtig kann allerdings nur das
sein, was je dem Milieu entspricht.
Zum Beispiel dürfte es kaum richtig
sein, wenn ein Kurhaus- oder tzotel-
inhaber sein tzaus in einem Augen-
blick photographieren läßt, wo die
Betten am Fenster gesonnt werden.
Ebensowenig würde ich empfehlen,
daß Besitzer und Familie in Bahn-
wärterposition vor der Tür des
tzauses stramm stehen. Anheimeln^-
der sind sie an freundlich gedecktem
Kaffeetisch.

Zweifelsohne würde es auch zur
Erleichterung des Verkehrs beitra-
gen, wenn man zuweilen etwas
mehr vom Innern des tzauses aufs
Papier brächte. Wenn auch Papier
geduldig ist, so wird doch der Zweck
zu informieren besser erreicht. Aller-
dings in dem einen Falle nicht, wenn
man statt einer deutlichen Ansicht
nur einen „malerischen" Fleck sieht.
Was so kommt, wenn man Sachen,
die künstlerisch wirken sollen, gleich
um die Ecke bestellt, bei tzinz und
Kunz. Iede schlechte Karte bedeutet
Schaden fürs Geschäft, diskreditiert!

Wo Licht ist, ist Schatten, und
Lichtdruckkarten Haben besonders
starken Schatten, namentlich die ko-
lorierten. Kolorierte Lichtdruckkarten
sind zu 99 vom tzundert Spieße
und Nägel für ein künstlerisch emp-
findendes Gemüt. Nirgends wird
mehr gelogen als auf kolorierten
Lichtdruckkarten, die von der An-

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