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Kunstwart und Kulturwart — 27,3.1914

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Heft 14 (2. Aprilheft 1914)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14289#0166

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fällen. Oft genug aber zeigen die
Abstimrnungen, daß die Gerechtigkeit
verblüfsend mit Parteistimmungen
und Parteigruppierungen überein«
stimmt. Dann lächeln die Auguren.
Rnd im Lande lächelt es mit.

Denn an die würdevoll zur Schau
getragene Gerechtigkeit glaubt man
dort nicht mehr. Da glaubt man:
Wie einst der vor dem Gericht Recht
bekam, der die meisten Zeugen mit«
brachte, so gilt heute sehr oft der
Abgeordnete als zu Necht gewählt,
der die meisten Parteigönner im
Reichstag hat.

Freilich, es brauchte und sollte
nicht so sein. Aber wie kommt's?
Alle die einzelnen Abgeordneten, die
nur auf den Parteivorteil sehn, sind
höchst wahrscheinlich Leute, die im
Privatleben einen Vorteil fahren
ließen, wenn auch nur ein Schein
von Rnrecht dabei wäre. Wenn sie
aber in der Partei marschieren, so
gewinnt plötzlich eine anders--
artige Ethik Macht über sie. Man
„kämpft" ja nicht um den persön --
lichen Vorteil, sondern um den der
Partei, um einen „idealen" Vor«
Leil! Gefühle der Kameradschaft«
lichkeit, der liebenswürdigen Dienst--
bereitschaft usw. kommen zu tzilfe,
um dem widerspenstigen Gewissen
den Zutritt über die Schwelle des
Bewußtseins zu verwehren. Es
lassen sich eben auf dem Grunde der
herrschenden Parteimoral keine Ein-
richtungen erbauen, die nur auf dem
Grunde der wirklichen Moral sicher
stehn können.

Kommt man nun aber mit demAn--
sinnen, die Abgeordneten sollten doch
die Wahlprüfungen einem unab--
hängigen, unparteiischen Gerichtshof
übertragen, den sie ja selber wählen
können, so wird bei vielen plötzlich
die Reichstagswürde widerborstig.
Lin Gefühl der Selbstherrlichkeit,
nicht der eigenen zwar, aber des
Reichstags als solchen, beginnt in
der Brust zu puckern: Nein, keine

Schwäche, immer wenigstens so tun,
als ob! Zwar: wieso würde das
freiwillige Abtreten des Wahlprü--
fungsrechtes an einen Gerichtshof
den Reichstag entwürdigen? Rnd
inwiefern mehr, als der Anschein,
die Mehrheit suche sie zu Partei-
geschäften zu benutzen?

Sachsen und Schwaben in
Llngarn

dam Müller-Guttenbrunn wurde
kürzlich im Kunstwart als „Sie-
benbürger" bezeichnet, er ist aber
südungarischer Schwabe.

Warum ich den Finger auf diese
Ungenauigkeit lege? Weil man in
Deutschland die österreich-ungarische
Völkerkarte zu wenig kennt. Wer
im Reiche weiß, daß der Schwaben-
zug nicht nach Siebenbürgen, son--
dern ins südu^garische Banat ge--
gangen ist?

Die Siebenbürger Sachsen und
die Banater Schwaben leben zwar
in demselben SLaat, aber doch unter
gänzlich verschiedenen Verhältnissen.
Die Sachsen, seit dem zwölften Iahr--
hundert im Lande ansässig, sind ein
altes Kulturvolk, vermöge ihrer
guten Organisation und der ihnen
im Lauf der Iahrhunderte anerzoge--
nen Opferwilligkeit, sowie durch
Pflege des Zusammenhanges mit der
reichsdeutschen Kultur sich ihrer
Ligenart und ihres Wertes bewußt;
stolz vor allem auf ihre guten Schu--
len, die Volksschulen sowie die höhe--
ren Schulen, die sie ganz aus eige--
nen Kräften erhalten.

Völkisch befinden sie sich in kei--
ner leichten Lage. Der Zahl nach
sind sie die kleinste der Nationali--
täten Siebenbürgens, etwa 230 000,
gegen ^500 000 Rumänen und
800 000 Madjaren. Die Madjaren
haben die unumschränkte, auch von
Wien aus nicht behinderte politi--
sche Macht in tzänden. Die Ru--
mänen haben die größere Volkszahl,
den größten Geburtenüberschuß und
 
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