Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 27,3.1914

DOI Heft:
Heft 18 (2. Juniheft 1914)
DOI Artikel:
Bröcker, Paul: Das Schicksal des Knicks in Schleswig-Holstein
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14289#0457

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Freude versagt geblieben. Wahrscheinlich spricht mein Heimatgefühl viel
mit; für mich gibt es nichts Schöneres als eine holsteinische Knickland»
schaft.

Wer in den Ferien eine der östlichen Nordseeinseln besucht, vielleicht
Sylt, fahre nach der Halbinsel hinüber und mit der Bahn weiter über
Tondern nach Flensburg und von dort, wenn es geht, über Schleswig und
Rendsburg auf dem Mittelrücken der tzalbinsel, dessen prächtige Land-
schaft niedersächsische Bauernkraft aus tzeide und Moor herausgearbeitet
hat, bis tzamburg hinunter. Dann wird ihm aus eigener Anschauung
Der wichtigste Grund klar werden, durch den Schleswig-Holstein dazu ge--
kommen ist, Knicks zu haben. Wir kennen auf Sylt die oft im zier«
lichen Fischgrätenmuster gefügten Packmauern mit Erdwällen, die im
straffen Rechteck den tzausgarten umschließen. Das Buschwerk im Garten
steigt in seinem Wuchs von der Windseite her schräg aufwärts. Der
andauernde Westwind verhindert den Baumwuchs fast ganz. Nur ein
naseweises Blättchen des Strauches im Garten wagt es, über die Futter-
wauer zu blicken. Und hinter diesem Blatte blickt wieder ein anderes
hervor, hinter diesem wieder eins usw. So bildet sich eine Schräge in
^inem bestimmten Winkel heraus, die zu den Quellentatsachen gehört,
aus denen man die Zweckmäßigkeit des niedersächsischen Dachneigungs--
winkels erklären kann. Von Munkmarsch gelangen wir nach tzoyer--
schleuse hinüber. tzier in der Marsch finden wir keine derartigen Wälle;
der Deich vertritt ihre SLelle. tzinter ihm gedeiht allmählich auch Busch--
und Baumwerk höher und höher. Allmählich, je näher wir der Geest
kommen, erscheint aber der uns auf Sylt bekannt gewordene Steinwall
wieder, und jetzt wagt sich das Buschwerk bereits auf den Wall hinauf.
Der Steinwall tritt bald seltener auf. Lr wird, wohl weil es am Bau-
stoff zu mangeln begann, zum Erdwall. Und schließlich sehen wir den
fertigen Knick vor uns. Die Landschaft ist in rechteckige, vielfach an--
nähernd quadratische Felder aufgeteilt, die von Erdwällen umgeben sind,
auf denen tzaselnußsträucher, Schlehdorn, Weißbuche, an weniger guten
Stellen auch Ellern wachsen. Dazwischen stehen Syringenbüsche, Weiß--
und Rotdorn. Auch Eichen sind darunter. Sie überragen an tzöhe den
übr-.gen Busch, stehen teils in bestimmten Abständen, manchmal aber auch
rn einer Gruppenreihe beisammen. Wenn wir nun aus der Bahn steigen,
können wir auf den wunderbaren schleswig-holsteinischen Redderwegen dahin--
wandeln. Schöner als so ein Redderweg kann nach meinen Gefühlen nirgend
in der Welt ein Weg sein! Iu beiden Seiten begleitet ihn ein Graben
mit dem Knickwall dahinter. Im Frühjahr knospet und treibt es im Busch--
werk; im Sommer leuchtet es von farbigen Blüten, und im Herbste locken
Beerenfrüchte vieler Art. Der Weg, der Graben und der Wall sind dicht
bewachsen. Die Grasnarbe auf dem Wege ist kurz und straff. Am Rande
des Grabens leuchten weiße Gänseblümchen; im Graben wachsen versteckt
Vergißmeinnicht, am Wallabhange wilde Stiefmütterchen; dazwischen
stehen Wiesenblumen aller Arten in bunter Fülle. Führt der Weg günstig
in eine gewisse tzimmelsrichtung, so siedelt sich eine staunenswerte, mannig--
faltige Fülle von Staudenpflanzen aller Art, unter denen schlanke Lilien
in anmutigen Gruppen zusammen stehen, an dem Abhange an; der Wind
häuft den Samen dort auf. Bunte Schmetterlinge und Insekten um--
schwärmen sie. Bienen summen darüber hin und Mücken spielen. Im
Graben Hüpfen kleine braune Frösche und bunte Eidechsen. Manchmal

369
 
Annotationen