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Kunstwart und Kulturwart — 27,3.1914

DOI Heft:
Heft 18 (2. Juniheft 1914)
DOI Artikel:
Bröcker, Paul: Das Schicksal des Knicks in Schleswig-Holstein
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https://doi.org/10.11588/diglit.14289#0458

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finden wir am Wege einen grasüberwachsenen oder bemoosten Findling.
Hier und da liegt ein Haufen zerspaltener Steine, dessen größere Teile
vielleicht zu einem Stegel verwendet wurden, das ein Knickloch verschließt,
gegen das auf dem Felde ein sich diagonal daherschlängelnder Fußweg
mündet. An einer Wegecke findet sich noch ein Fleckchen Heide als Er«
innerung an den ursprünglichen Zustand. Und wenn wir durch ein Knick-
loch den Wall überschreiten und uns hinter dem Knick aufs Feld legen,
so umschließt uns eine hörbare Stille; die Landschaft liegt in friedlicher,
arbeitsemsiger Ruhe vor uns. Der Schleswig-Holsteiner hat ein beson-
deres Wort für diese Friedlichkeit; er bezeichnet sie mit dem Adjektiv
„lurig", das wahrscheinlich verwandt ist mit dem plattdeutschen „luren"
für warten (lauern).

Schleswig-tzolstein ist ein schmales Land zwischen zwei Meeren. Es
„zieht" in diesem Lande fortwährend. Im Winter und im Sommer zieht
der Ostwind und der Westwind übers Feld, von der Nordsee zur Ostsee
hinüber und herüber. tzierin liegt der eine Grund für das Vorhanden-
sein des Knicks in Schleswig-tzolstein.

Der Knick ist mit dem in Schleswig-tzolstein vorherrschenden landwirt-
schaftlichen Betriebssystem eng verknüpft. Nur selten findet man dort
eine ausgeprägte Fruchtwechselwirtschaft, in der das Feld Iahr um Iahr
abwechselnd einmal mit tzalmfrüchten, einmal mit Blattfrüchten bepflanzt
wird, in der sich sämtliches Ackerland unter dem Pfluge befindet, so daß
das Vieh auch im Sommer Stallfütterung erhält. In Schleswig-tzolstein
hat sich bis heute aus guten Gründen eine geregelte Feldgraswirtschaft
erhalten, die nur eine Fruchtfolge, nicht aber einen Fruchtwechsel kennt.
Die Feldgraswirtschaft besteht in der Form der auch für Dänemark typischen
Koppelwirtschaft. Sie beruht vor allen Dingen auf der Ausnutzung der
Graswüchsigkeit, die in Schleswig-tzolstein, ähnlich wie in England —
wo man in einzelnen Gegenden ja auch die Koppelwirtschaft mit Knicks
kennt — außerordentlich groß ist. Schleswig-tzolstein ist ja ein verhältnis-
mäßig schmaler Landstreifen,- wer es einmal mit dem Automobil über-
quert hat, hat sich baß gewundert, so schnell von einem Meer zum
andern zu kommen. Der Geeststreifen, der westlich von dem Streifen
der Marsch, östlich von der buchenbewaldeten tzügellandschaft begrenzt wird,
ist ganze (5 bis Kilometer breit; die Meeresküsten dagegen sind zusammen
annähernd 800 Kilometer lang. Dazu kommen die vielen Landseen. Das
alles ruft ein feuchtes Klima hervor; die Niederschläge sind häufig. Die
mittlere Mederschlagshöhe für Schleswig-tzolstein beträgt 7(8 mm; man
vergleiche sie mit derjenigen anderer Provinzen: tzannover 6Y0 mm,
Schlesien 680 mm, Ostpreußen und Pommern 600 mm, Sachsen und
Thüringen 5^5 mm, Brandenburg 555 mm, Posen 5(5 mm. Der feuchte
Boden ist derartig graswüchsig, daß die Gräser- und die Kleearten zwei
bis vier Iahre aushalten. Daher lohnt sich die mehrjährige Benutzung
des Ackerlandes als Weide. In Schleswig-tzolstein ist deshalb folgende
Fruchtfolge üblich: auf eine Brache, die durch Rüben und Kartoffeln
ausgenutzt wird — die letzteren werden vielfach von kleinen Leuten ge-
pflanzt, die als Entgelt Dung auf den Acker bringen müssen — solgt Ge-
treide, und zwar im zweiten Iahre Weizen oder Roggen, im dritten Gerste
oder tzafer. Im vierten Iahre Gras mit Klee und tzafer, hierauf drei
Iahre Weide. Neben dieser Folge sind noch andere üblich, in denen
Raps oder Rüpsen und Buchweizen vorkommen. Die hervorragende Be-

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