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Kunstwart und Kulturwart — 28,2.1915

DOI Heft:
Heft 9 (1. Februarheft 1915)
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Avenarius, Ferdinand: Dem Kaiser
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https://doi.org/10.11588/diglit.14419#0107

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Dem Kaiser

er Kunstwart hat noch nie einen Aufsatz zu „Kaisers Geburtstag"
^-^^gebracht. Warnm drängt es uns heute dazu, die wir bei so mancher
Gelegenheit zumal der Kunstpflege gegen den Kaiser sprachen? . . .

Wer jetzt zu feindlichen Zeitungen greift, der staunt vor allem über eins:
über den Naum und die Gedankenmengen, die dem Kaiser gewidmet
sind. Nach dem, was man da liest, ist er nicht nur im ganzen Weltkrieg
die tzauptperson, nein, der Weltbrand gibt eigentlich nur das höllische
Flackerlicht um ihn, der als verkörpertes Böses die Länder zertritt. Sogar
im neutralen Amerika ward den Massen mit vollkommener Selbstverständ-
lichkeit „the Kaiser" als „the Aggressor" hingestellt, dessen lechzender Zä-
sarenwahn sich auf Friedliebende stürzt. Wir andern Deutschen sind zwar
ein Volk von Dieben, Mördern, Mordbrennern und dergleichen — aber
doch eben nur eine Meute von tzunnen, die erst auf den Pfiff „Attilas II."
da- und dorthin heult. Lr, Lr, Lr — die Anwürfe, die Anspeiungen, die
Flüche verdichten sich gegen ihn, den ungeheuren Autokraten-Dämon.

And wie schien es uns? Line ganz sonderbare Frage kommt uns: hörten
wir von irgendeinem führenden Manne jetzt weniger als von ihm?
Anfangs stand er im Vordergrunde, ja. Als die Lage scharf ward, eilte
er von seiner nordischen Seefahrt pflichtgemäß heim. Dann kamen die
Drahtungen nach Ost und West in jenem Ton, dessen menschliche Echt-
heit und persönliche Farbe jedem klar war, der einigermaßen den Kaiser
kannte, sorgend, bittend, beschwörend um Willigkeit zum Frieden. Als
das umsonst war, folgten die Kundgebungen in Berlin zur Verbündung
gegen den äußeren Feind. War im Volk auch unter den Rötesten einer,
den irgendeine Außerung, irgendeine tzandlung jener Zeit am Kaiser
als gewalthaberisch verletzen konnte? Oder waren Regierungshand-
lungen nicht gesetzgemäß? Waren sie mit Kleinlichkeit oder par-
teiisch durchgeführt? Nun zog der Kaiser ins Feld. Und dann ward
es ganz still von ihm. Wenn wir etwas vom Kaiser hörten, war's, daß

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1. Februarheft (XXVIII, 9)
 
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