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Kunstwart und Kulturwart — 28,2.1915

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Heft 11 (1. Märzheft 1915)
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Schjelderup, Gerhard: Wir Skandinavier für Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.14419#0214

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Wir Skandinavier für Deutschland

>^-^licken wir zuerst nach Schweden. Dort hat sich die Vaterlands«
^»-^liebe in den letzten Iahren bis zum äußersten gesteigert. Die große
^-^demokratische Partei, die anfangs an militärischen Ausgaben sparen
wollte, hat schließlich alle Bedenken aufgegeben, und wie die deutschen
Sozialdemokraten haben sich auch die schwedischen zu starken Rüstungen
bereit erklärt. Des Königs Rede an den großen vaterländischen Bauern«
zug, die flammende patriotische Begeisterung eines Sven tzedin, eines
Werner von tzeidenstam, des großen Dichters der „Karolinen", haben
auch in Deutschland Aufsehen erregt. Schwedens einziger Feind ist Ruß-
land. Das halbasiatische Zarentum war den Schweden immer ein Greuel.
Sie sürchteten das Schicksal Finnlands früher oder später auch für sich.
Mit Entsetzen schauten sie auf das unermeßliche Rachbarreich unter der
Knute seiner Dynastie, das durch Nordschweden nach den eisfreien Häfen Nord-
Norwegens strebt. Zwar solange Finnland noch einigermaßen frei blieb,
lag über Schweden nur eine dumpfe, schwüle Sorge vor der Zukunft, der
alte schwedische tzeroismus schien eingeschlafen. tzeldengestalten wie die
Gustav Adolfs, Karls X. und vor allem des „letzten Ritters", des zwölften
Karls, sie paßten auch schlecht zu einer modernen Bauerndemokratie. Es
schien, sie schliefen alle, wie Friedrich Barbarossa im Kyffhäuser schlief,
bis Bismarcks Noten und Moltkes Kanonen ihn wieder weckten. In
parteipolitischen Streitigkeiten ging man gewöhnlich auf. Man ärgerte
sich über die Norweger von und wollte sogar von norwegischen
Schriftstellern und Künstlern nicht viel mehr wissen. Da kam die letzte
Vergewaltigung Finnlands durch den Wortbruch des Zaren. Und nun
wogte eine Lrschütterung durch ganz Schweden. Man sah die Gefahr,
und sie reinigte wie ein Gewitter. Die Parteikämpfe traten in den
Hintergrund, das Verhältnis zu Norwegen besserte sich. Man erkannte,
daß die beiden Völker trotz politischer Trennung dasselbe Schicksal teilen
würden. Der feurigste schwedische Patriot, Sven tzedin, der früher
Norwegen angegriffen hatte, fuhr nun nach Christiania, hielt flammende
Vorträge über die russische Gefahr und förderte die Freundschaft der
beiden „Brüdervölker". Da schwand das stumme Bangen vor Rußland,
man sah der Gefahr ins Auge, man rüstete zu heroischem Widerstand,
und mancher behauptete, Schweden werde eine einzige uneinnehmbare
Festung sein, wenn das Volk seine volle Wehrkraft entfalte. Die alten
Helden stiegen auf, Karl XII. wurde zum Nationalhelden. Eine ganze
vaterländische Literatur entstand, die sich mit den großen Zeiten Schwe--
dens befaßte.

Ich glaube nicht, daß die Behauptung zu weit geht, obgleich man ihr
aus politischen Gründen widersprechen wird: in Schweden sehnen sich
jetzt viele nach einem Krieg mit Rußland. In Südschweden hatte ich
Gelegenheit, die Stimmung schon vor dem deutschen Krieg zu beobachten.
Sie kann der glühenden Vaterlandsliebe des deutschen Volkes in dieser
großen Zeit verglichen werden.

Wenn Schweden so lange Iahre hindurch die aus politischen und sozialen
Gründen entstandene Verbindung mit Frankreich aufrecht erhielt, so war
das vor allem, weil die Westmächte England und Frankreich als Schützer
der Kultur gegen das barbarische Rußland auftraten» während uns im
Norden schien, daß Preußen sich von den asiatischen Diplomaten ein»
schüchtenr und betören ließ. Ietzt kam es anders. Schweden hat mit
 
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