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Kunstwart und Kulturwart — 28,2.1915

DOI Heft:
Heft 12 (2. Märzheft 1915)
DOI Artikel:
Marsop, Paul: Öffentliche Unterhaltungsmusik in Deutschland, [2]
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Tageblatt-Geist und Bilderfälschungen in Frankreich
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https://doi.org/10.11588/diglit.14419#0263

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Ldition und ähnlicher unentbehrlich gewordener Bildungsmittel auswachsen.
Voraussetzung wäre, daß die gedachten Musiker-Organisationen dem Werke
eine nachhaltige moralische Unterstützung liehen. Zudem schwebt mir der
Gedanke einer „Stiftung" vor, deren Lrträgnisse zum Änkauf von ge-
eigneten Musikalien für wirtschaftlich hilflose, insonderheit schwach besetzte
Orchester und auf wenige Pulte beschränkte Gruppen zu verwenden wären.
Das wird sich mit der Zeit schon finden. —

Lin Ruf nach Lrneuerung unsres Kunstlebens auf nationaler Grund»
lage geht durch die deutsche Musikerschaft. Mit viel preislichen Reden
wird darüber hin und her gestritten, wie im neuen Deutschland komponiert
werden solle. Müßiges Gerede. Noch kein Tondichter, der etwas zu sagen
hatte, malte seine Rotenköpfe nach etwelchen, wenn auch noch so vortreff-
lichen kritischen Rezepten, sondern stets nach seinem persönlichen Lmpfinden
und Können. Ein anderes ist es um das Schaffen, ein anderes um die
Volkserziehung. Bei dieser müßte man füglich von unten auf
bauen Paul Marsop

Tageblatt-Geist und Bilderfälschungen in Frankreich

("^est feindliche Zeitungen! Reulich schrieb einer, daß Matin,
H§igaro und alle ihresgleichen von den Gebildeten im neutralen Aus-
^^lande so viel wie möglich gelesen werden sollten, sie seien unsre besten
Bundesgenossen. Ich weiß nicht, ob das die Befangenheit auch der Ge-
bildeten im Auslande nicht unterschätzt. Aber ich weiß, daß man bei
uns im Reich solche Blätter viel mehr lesen sollte, als man tut. Ls
wird einem ja schwer, sie durch Bestellgeld zu unterstützen, aber es zahlt
sich ihnen heim. Richts, was uns das Bewußtsein unsrer Aberlegenheit
stolzer erhöhen, nichts, was uns zum Durchhalten auf alle Fälle freudiger
stärken, nichts, was das Flaumachen durch Sentimentalität wirksamer be-
kämpfen könnte, als das Beobachten feindlicher Blätter solcher Art!

Der erste Lindruck beim Lesen mag für uns einer von Komik sein. Im
Matin vom (H. Februar „Les bonnes Nouvelles": die Nachrichten
von unsrer, der Deutschen „Vernichtung" (defaite) im Osten würden
entsetzlich zu lesen sein (atroces a lire), wenn wir Deutschen nicht ein
Volk wären, das keinerlei Mitleid wegen seiner schrecklichen Züchti-
gung (chatiment terrible) — tzindenburgs durch den Iaren verdiente!

Liest man mehr, so besiegt der Widerwille über das Lügen doch die
Komik. Aber bewußtes Lügen erklärt nicht alles. Da ist seit Monaten
und Monaten in den französischen Zeitungen selbst diese eine Frontlinie,
immer dieselbe, obgleich täglich Vorwärtsdringen über Vorwärtsdringen
der Verbündeten gegen uns Deutsche auf der Karte selbst durch Pfeile
angegeben und in all seiner tzerrlichkeit im Texte erläutert wird. Wie
reimt sich ein Volk das tägliche „gagner du terrain" seiner tzeere mit
der einfachen Tatsache zusammen, daß die Frontlinie bleibt?
Weiter: da ist das Aufblasen von Kleinigkeiten — wie kommt es, daß man
in diesem Volke der Spötter das ernsthaft nimmt? Ich habe allein in
zwei Blättern vier verschiedene Aufnahmen des großen Augenblicks
gesehen, da Poincare Ioffre die „medaille rnilitaire" an die Brust
heftete. Rnd was für Aufnahmen! Im „Miroir" zwei: auf dem ersten,
ganzseitigen Bild naht sich Poincare dem wartenden Ioffre und
zückt, zwei Schritte vor ihm, die Medaille. Das zweite zeigt auf zwei
 
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