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Kunstwart und Kulturwart — 28,2.1915

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Heft 9 (1. Februarheft 1915)
DOI Artikel:
Fuchs, E.: Die Arbeiter und der Krieg
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Düsel, Friedrich: Die Berliner Volksbühne im eignen Hause
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https://doi.org/10.11588/diglit.14419#0114

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Man denke nur einen Augenblick, daß die Arbeiterschaft diese ihre
eigenen Organe nicht hätte! Dann wäre sie in dieser Notzeit eine hilflose,
gestaltlose Masse gewesen. Die Größe der Zeit wäre gänzlich an ihr vor-
übergerauscht. Die andern hätten für sie gesorgt, während doch nur das
Selbstsorgen und Selbstschaffen an die Gemeinschaft bindet. Die Arbeiter-
schaft kämpft mit Begeisterung fürs Vaterland. Wir wollen nie mehr ver-
gessen, daß für sie ein sehr wichtiges Stück des Vaterlandes ihre Organisa-
tion ist, die sie zum Mitschaffen und Mitsorgen in der Gemeinschaft des
Volkes befähigt. E. Fuchs

Die Berliner Volksbühne im eignen Hause

^W^unkle Sagen des Mittelalters erzählen von der barbarischen Sitte,
Iin die Grundfesten eines neuen Bauwerks ein lebendiges Mnd ein-
zumauern: Glück und Segen versprach man sich von solchem unschul«
digen Opfer für das Haus und alle, die drin aus und ein gingen. Wir
suchen solche guten Vorzeichen wo anders, wir wissen, daß das Leben, das
zeugende, tätig und schöpferisch fortwirkende Leben, das auch wir in jeden
Neubau unsrer Arbeit pflanzen möchten, seine Stammwurzeln nur in uns
selber haben kann, in unserm reinen Willen zum Guten, in unsrer Ent-
schlossenheit, Standhaftigkeit und Treue. So viel Leben ihr aus' euch
selber mitbringt in das neue Haus eurer Tätigkeit, so viel wird draus
hervorblühen, nicht mehr und nicht weniger; je mehr ihr um jeden Stein
gesorgt, gedarbt, gerungen habt, desto inniger wird euer Herz und eure
Seele eins werden mit Wand und Dach, und der Geist, der durch die
toten Mauern geht, wird eine Läuterung und Erhöhung dessen sein, was
euch der Lärm des Tages nur in seltenen Feierstunden zum Bewußtsein
kommen läßt . . .

Mit solchen Gedanken, die man noch vor einem halben Iahre als „zu
pathetisch" zum Schweigen gebracht haben würde, vor denen sich nun
aber das Antlitz der Zeit nicht mehr zu verstecken braucht, nähert man sich
vom Untergrundbahnhof Schönhauser Tor dem neuen Hause der Ver-
einigten Freien Volksbühnen, dem „Theater am Bülowplatz", das da hoch
und wuchtig vor einem aufwächst. Den „steingewordenen Willen des Volkes
zu selbständiger künstlerischer Kultur" hat es Georg Springer, der Vor-
sitzende der Neuen Freien Volksbühne, genannt, und wenn man sich ver-
gegenwärtigt, wie es zustande gekommen, so braucht man auch vor diesem
heroischen Bilde nicht zu erröten. Denn wir stehen vor keinem Speku-
lationsbau, aus dem die Gelder erst „herausgeholt" werden sollen, sondern
die Ouadern, aus denen das mächtige Haus gefügt ist, sind aus den
Spargroschen zusammengebracht worden, die mehr als zehntausend Männer
und Frauen des Volkes während eines halben Iahrzehnts zu dem „Bau-
vermögen" beigesteuert haben. Dieses „Bauvermögen", aus Eignem auf-
gebracht, ist stark genug, um ohne Zittern und Zagen die Hypotheken zu
tragen, die die Stadt Berlin und eine Baugesellschaft einstweilen her-
gegeben haben, in der Zuversicht, daß auch sie noch eines Tages von den
Mitgliedern der Vereine erworben werden. Denn das ist das Ziel: um
ihren Mitgliedern beste dramatische Kunst aus eigner Kraft, unabhängig
von allen geschäftlichen Interessen bieten zu können, haben Freie und
Neue Freie Volksbühne dies eigne große Theater erbaut; ihr Ziel wird
aber völlig und restlos erst erreicht sein, wenn die letzte 20-Mark-Obli-

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