Merfall, rm vierten: Beschießung des Roten Kreuzes und Meuchelmord
an einem Mildtätigen, im fünften: einen „Iudith"--Mord, im sechsten:
Franktireur-Niedertracht und Gefangenen-Mißhandlung, im achten: be-
trügerische Spionage im offnen Felde, im neunten: versuchter Gefangenen-
mord. Dem gegenüber steht eine Novelle ohne Franzosengemeinheiten
und alles in allem ein „anständiger^ Franzose, der als Gefangener an
seine Frau Briefe schreibt voll Scham und Wut über die Gemeinheit
seiner Landsleute.
Zu solcher tzäufung von böswilligen Greueltaten kommt nun, während
die Deutschen durchweg als kreuzbrav und milde geschildert und belobt
werden, eine wahre Flut von Schimpfworten auf Frankreich und die Fran-
zosen: „schlimmer wie Wilde^, „Gemeinheit^, „niederträchtiges Gezücht",
„Erbärmlichkeit^, „gemeinster Verrat^, „Feiglinge" — so geht es allent-
halben. Es wäre unpassend für einen Nichtkämpfer, dem Kämpfer die
Möglichkeit seiner novellistischen Berichte zu bestreiten. Ich gebe Sexau
sogar in der scharfen Verurteilung einiger von rhm berichteter Untaten
Recht. Aber einmal vernichtet das zornige Abrechnen mit Gegnern, bei
dem sich eine erklärliche persönliche Aberreiztheit geltend macht, den be»
scheidenen dichterischen Wert dieser Erzählungen vollends. Zum andern
steht die tzäufung solcher Mitteilungen, das stete Verallgemeinern der
Vorwürfe auf die ganze französische Nation, das ausschließliche tzerab--
setzen und Gemeinmachen des Gegners im Widerspruch zur tzaltung all
der ritterlichen und gerechten deutschen Offiziere und Mannschaften, die
in den letzten Monaten so häufig auch von andern Seiten des französischen
Charakters und Verhaltens berichtet haben. Endlich aber widerspricht
gerade diese rachsüchtige Art der literarischen Darstellung gänzlich den
Zwecken, die der Verfasser sich, wie oben angeführt, selbst gesetzt hat.
Ein erster Aufsatz über Literatur nach dem Ausbruch des Krieges ent-
hielt an dieser Stelle die Mahnung, die Dichtung gerade jetzt nicht unter
dem Gesichtspunkt der „Aktualität", der „Tagfälligkeit" zu lesen. Man
muß zum Großen, Erschütternden, innerlich Packenden greifen, um sich
„abziehen" oder gerade: um sich begleiten zu lassen und dann die
gewaltigen tzeilkräfte zu empfinden, die aus aller wahrhaften, starken und
tiefen Kunst herauswirken, ob sie Gegenwart zum Schauplatz habe oder
Vergangenheit. Das mögen die freundlich bedenken, die sich etwa darüber
wundern sollten, daß der Kunstwart nicht mehr „aktuelle Literatur" bespricht.
Gzard Aidden
Apokalyptisches in unsrer Bilderkunst
nd ich sah, und siehe, ein weiß Pferd, und der darauf saß, hatte einen
Bogen; und ihm ward gegeben eine Krone, und der zog aus, zu
überwinden und daß er siegte . . . And es ging heraus ein ander
Pferd, das war rot; und dem, der darauf saß, ward gegeben, den Frieden
zu nehmen von der Erde, und daß sie sich untereinander erwürgten; und
ihm ward ein großes Schwert gegeben. . . Und ich sah, und siehe, ein
schwarz Pferd; und der darauf saß, hatte eine Wage in seiner tzand. And
ich hörte eine Stimme: Ein Maß Weizen um einen Groschen, und die
Maß Gerste um einen Groschen; und dem Ol und Wein tue kein Leid . . .
Und ich sah, und siehe, ein fahl Pferd; und der darauf saß, des Name
hieß Tod, und die Hölle folgte ihm nach. Und ihnen ward Macht ge-
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an einem Mildtätigen, im fünften: einen „Iudith"--Mord, im sechsten:
Franktireur-Niedertracht und Gefangenen-Mißhandlung, im achten: be-
trügerische Spionage im offnen Felde, im neunten: versuchter Gefangenen-
mord. Dem gegenüber steht eine Novelle ohne Franzosengemeinheiten
und alles in allem ein „anständiger^ Franzose, der als Gefangener an
seine Frau Briefe schreibt voll Scham und Wut über die Gemeinheit
seiner Landsleute.
Zu solcher tzäufung von böswilligen Greueltaten kommt nun, während
die Deutschen durchweg als kreuzbrav und milde geschildert und belobt
werden, eine wahre Flut von Schimpfworten auf Frankreich und die Fran-
zosen: „schlimmer wie Wilde^, „Gemeinheit^, „niederträchtiges Gezücht",
„Erbärmlichkeit^, „gemeinster Verrat^, „Feiglinge" — so geht es allent-
halben. Es wäre unpassend für einen Nichtkämpfer, dem Kämpfer die
Möglichkeit seiner novellistischen Berichte zu bestreiten. Ich gebe Sexau
sogar in der scharfen Verurteilung einiger von rhm berichteter Untaten
Recht. Aber einmal vernichtet das zornige Abrechnen mit Gegnern, bei
dem sich eine erklärliche persönliche Aberreiztheit geltend macht, den be»
scheidenen dichterischen Wert dieser Erzählungen vollends. Zum andern
steht die tzäufung solcher Mitteilungen, das stete Verallgemeinern der
Vorwürfe auf die ganze französische Nation, das ausschließliche tzerab--
setzen und Gemeinmachen des Gegners im Widerspruch zur tzaltung all
der ritterlichen und gerechten deutschen Offiziere und Mannschaften, die
in den letzten Monaten so häufig auch von andern Seiten des französischen
Charakters und Verhaltens berichtet haben. Endlich aber widerspricht
gerade diese rachsüchtige Art der literarischen Darstellung gänzlich den
Zwecken, die der Verfasser sich, wie oben angeführt, selbst gesetzt hat.
Ein erster Aufsatz über Literatur nach dem Ausbruch des Krieges ent-
hielt an dieser Stelle die Mahnung, die Dichtung gerade jetzt nicht unter
dem Gesichtspunkt der „Aktualität", der „Tagfälligkeit" zu lesen. Man
muß zum Großen, Erschütternden, innerlich Packenden greifen, um sich
„abziehen" oder gerade: um sich begleiten zu lassen und dann die
gewaltigen tzeilkräfte zu empfinden, die aus aller wahrhaften, starken und
tiefen Kunst herauswirken, ob sie Gegenwart zum Schauplatz habe oder
Vergangenheit. Das mögen die freundlich bedenken, die sich etwa darüber
wundern sollten, daß der Kunstwart nicht mehr „aktuelle Literatur" bespricht.
Gzard Aidden
Apokalyptisches in unsrer Bilderkunst
nd ich sah, und siehe, ein weiß Pferd, und der darauf saß, hatte einen
Bogen; und ihm ward gegeben eine Krone, und der zog aus, zu
überwinden und daß er siegte . . . And es ging heraus ein ander
Pferd, das war rot; und dem, der darauf saß, ward gegeben, den Frieden
zu nehmen von der Erde, und daß sie sich untereinander erwürgten; und
ihm ward ein großes Schwert gegeben. . . Und ich sah, und siehe, ein
schwarz Pferd; und der darauf saß, hatte eine Wage in seiner tzand. And
ich hörte eine Stimme: Ein Maß Weizen um einen Groschen, und die
Maß Gerste um einen Groschen; und dem Ol und Wein tue kein Leid . . .
Und ich sah, und siehe, ein fahl Pferd; und der darauf saß, des Name
hieß Tod, und die Hölle folgte ihm nach. Und ihnen ward Macht ge-
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