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Kunstwart und Kulturwart — 28,2.1915

DOI issue:
Heft 11 (1. Märzheft 1915)
DOI article:
Bröcker, Paul: Justus Brinckmann
DOI article:
Marsop, Paul: Öffentliche Unterhaltungsmusik in Deutschland, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14419#0210

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Born des eigenen Erlebens. Er trug eine Unsurnrne von eigenkräftig
Erlebtem in seinem Unterbewußten, das ihn zu immer neuen Entdeckungen
führte. Wenn er fertig war mit der Stunde des Praktikums, dann ftand
er lächelnd da, erfrischt wie nach einem Bade.

Lichtwark und Brinckmann sind dahingegangen. Und das zu einer Zeit,
da sich zeigt, daß die Welt auf den starken Schultern Deutschlands ruht.
O Brinckmann, was hast du gedacht, als die Stunde des Abschiedes von
diesem köstlichen Leben der Arbeit nahte? Was könnte uns retten, was könnte
uns das Recht auf Sieg geben, wenn nicht das Beispiel deiner Persönlich-
keit: in Treue fest, und ausdauernd in der Liebe! PaulBröcker

Öffentliche Unterhaltungsmusik in Deutschland

ls ich nach Ausbruch des Krieges die Münchner „tzilfsstelle für Be«
ö rufsmusiker^ einrichtete, galt es, einer Doppelaufgabe gerecht zu wer«
^v^den: rasch Mittel zu sammeln, um, wo es erforderlich, ohne Verzug mit
ausreichenden Unterstützungen einzugreifen, und zugleich für die größeren wie
für die kleineren und kleinsten Orchesterverbände und -vereinigungen nach
Möglichkeit eine Wiederaufnahme der im Augenblick jäh abgerissenen Be^-
schäftigung zu erwirken. Die zweite Arbeit war mühsamer. Auf Schritt
und Tritt gab es Widerstand zu überwinden. Auch Leute von bewährter
sozialer Gesinnung, freilich von mangelhaftem Kunstverständnis, versteiften
sich auf die Anschauung, „daß die Zeiten zu ernst wären, um Musik zu
machen" — wobei sie, wissentlich oder unwissentlich, Schubert und Lehär,
Wagner und Linke in einen Topf warfen. Ihnen war zu entgegnen, man
müsse, wenn ein Mozart, ein Beethoven in schweren Tagen nicht als seeli»
sche tzelfer zu Worte kommen dürften, folgerecht auch die Aufführungen
von Dramen Schillers oder Kleists verbieten, die staatlichen und städti»
schen Museen schließen, und es sich versagen, im tzausfrieden zu einem
Band Goethe zu greifen. Doch man erhob auch andere Einwände, die sich
nicht im tzandumdrehen entkräften ließen. „Wie mag^, schrieb mir ein
angesehener Parlamentarier, „ein Mann von gefestigtem Idealglauben wie
Sie, wie mag solch unerbittlicher Feind der volksvergiftenden modernen
Operette den Kaffeehausmusikern und ihresgleichen gerade jetzt Gelegem»
heit zuschanzen, ihr ekelhaftes Couplet« und Tingeltangelzeug herunterzu«
fiedeln? Denn sie können doch unmöglich Tag für Tag drei Stunden lang
hintereinander »Die Wacht am Rhein«, »Deutschland, Deutschland über
alles« und »Ich hatt einen Kameraden« spielen l Oder wollen Sie vielleicht
die »Eroica« für zwei Violinen, Flöte, Kontrabaß und tzarmonium ein-
richten und sie dazu dem wüsten Lärm des Restaurationsbetriebes bei
freiem Kommen und Gehen der Gäste überantworten?^ Den werten Freund
vermochte ich insoweit zu beruhigen, als ich ihm mitteilte, es wären eben
die Gruppen, die ihre Erwerbsquelle in der unter den angeführten Um«
ständen gebotenen „Unterhaltungsrnusik" hätten, in ihrem bestverstandenen
Interesse dringlichst darum ersucht worden, bis auf weiteres alle überleichte
und frivole Ware über Bord zu werfen, wenn anders sie sich die Spiel-
erlaubnis nicht wieder entzogen sehen wollten. Das war das Negative,
die Abwehr des Widrigen, Verpöbelten, in diesen Zeiten des gewaltigsten
nationalen Aufschwunges sich erst recht in seiner ganzen übelduftenden Ge-
meinheit Darstellenden.

Auf der anderen Seite: wie besiegen jene unter den heutigen Verhält»
nissen nun einmal bestehenden, Tausenden von Menschen den Lebensunter-
 
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