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Kunstwart und Kulturwart — 28,2.1915

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Heft 12 (2. Märzheft 1915)
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Avenarius, Ferdinand: Tageblatt-Geist und Bilderfälschungen in Frankreich
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https://doi.org/10.11588/diglit.14419#0269

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schen: er wird widerlich. Französisch gesagt: der Kaiser ist widerlich —
rnan braucht ja nnr sein „authentisches Bildnis" zu sehn. So wird auch
das Kronprinzen-Bild gefälscht. Bis zum Soldaten und zur Krankenpfle--
gerin wird den Franzosen immer wieder „nach der Batur" ein Feind ge-
zeigt, dem die Medrigkeit und Bosheit aus den Augen sieht. Wer kann
bezweifeln, daß das HunneN) Mordbrenner, Schänder, Schinder, Verwüster
an allem sind, was Menschenherz erhebt?

Die Gefährlichkeit dieser verächtlichen Presse ist deshalb so groß, weil
sie in sich ganz einheitlich ist, das verlogene Weltbild ist in sich so
geschlossen, wiederum: wie das eines Verrückten. Ein Gehirn von Durch-
schnittskraft, dem nichts andres vor die Augen kommt, ist ihr aus-
geliefert und glaubt ihr. Das müssen wir auch bedenken, wenn wir uns
über die Volksstimmung bei fremden, zumal romanischen Völkern wundern,

Photographie des Kaisers, wahr«
scheinlich aus den Schweizer Ma-
növern Der Ausdruck durch
Retusche ins „Bösartige" gefälscht.

Der Kronprinz. Fälschung des
Ausdrucks durchAbertuschung. Zu-
gleich charakteristisch für die Auf-
machung: am Pranger. Vgl. Text.

die mit ihrer Sympathie dem „freien" Frankreich und seiner Zivilisation
von alters huldigen, beispielsweise in den südamerikanischen Republiken.
Aber in Frankreich selber ist der Einfluß nicht so stark. Die regierenden
Klassen benützen diese Blätter, aber sie durchschauen sie auch. Es
gibt auch eine anständigere Presse drüben als diese. Dazu deutet ein
fortwährendes Klagen über Flaumacher darauf, daß die Wahrheit all-
mählich anderswoher auch zu den Matin-Lesern sickert. Der Einfluß der
Briefe aus der Front und der Erzählungen von verwundeten Lenten kommt
dazu. Die französischen Soldaten in unsrer Gefangenschaft sprechen fast
ausnahmslos mit Geringschätzung von dieser Presse.

Wir dürfen ohne Pharisäertum sagen: auch das schlechteste deutsche
Blatt bietet zu Zeitungen vom „Matin"-Schlag kein Seitenstück. Schon
deshalb nicht, weil es kein Publikum fände. Möge das auch unterm
Kriegsrausch so bleiben! A

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