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Kunstwart und Kulturwart — 37,1.1923-1924

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Heft 2 (Novemberheft 1923)
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Neue Kunstwart-Unternehmungen
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Bonus, Arthur: Vom heiligen Tanz
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https://doi.org/10.11588/diglit.14439#0058

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Unfroh wird uns zumute, gedenken wir all der eigentlich überflüssigen,
früher uns bei solcher Arbeit ganz unbekannten Mühsal, die es verursacht
hat, diese weihnachtlichen Hervorbringungen endlich, nach mehr als jähriger
Vorbereitung fertigzustellen.* Nun aber sind sie da und warten auf ihre
Liebhaber. Mögen sie kommen! Wir — wollen nicht rasten, wollen
nicht nachgeben! Herausgeber und Verlag des Kunstwarts

Vom heiligen Tanz

tudien zur altindischen Religion bedeuten unter anderm auch Studien
Wildekstase, wie sie durch erregende Musik, Tanzen, Rauschtrank,
Feuererhitzung und andere körperliche Lrregungsmittel gesucht wird.
D. W. Hauer hat diese Vorstuse der späteren stillen Ekstase des Poga in
einem Buch untersucht („Die Anfänge der iyogapraxis", Stuttgart, Kohl-
hammer, (922), von welchem ich glaube, daß es die noch immer sehr
schwierige Erforschung der ältesten indischen und damit der Lltesten arischen
Poesie des Veda auf eine ganz neue Basis stellen wird. Mit diesen Pro--
blemen war ich beschäftigt, als ich einen Vortrag Iohannes Müllers über
den Tanz als Gleichnis echtfließenden Lebens hörte.

Ich bin überhaupt der Meinung, daß wir symbolische Handlungen und
Vorstellungen ferner Zeiten erst verstehen, wenn wir die Stelle entdecken,
in welcher ihr Gleichnis oder Bildcharakter wurzelt. Freilich jene Alten,
welche die Symbole wählten und formten, wußten über diesen ihren
Charakter nicht Bescheid, aber sie fühlten ihn ganz wohl. Ahnlich wie wir
im Traum den Symbolcharakter unsres Erlebens ganz wohl fühlen, aber
erst nachher im Wachen in der Lage sind, ihn bewußt zu erkennen.

Das innen bohrende Wort, das seine Aussprache sucht und nicht findet,
erschütterte die Menschen vor Iahrtausenden und Iahrhunderttausenden
so gut wie vor Iahrhunderten und in Ausnahmezuständen selbst heute noch.
Aber wir fassen, wenn wir das gleichnishafte Wort „Erschütterung" ge-
brauchen, die Nrbedeutung gar nicht mehr aus. Und doch haben noch die
Quäker, die wir heute mit Recht so schätzen, ihren Namen („Zitterer")
davon, daß die Nrheber ihrer Gemeinschast, in der Not der Aussprache
wie von einem inneren Sturm erfaßt, zitterten und lallten. Ganz wie es
die Apostelgeschichte von der Begeisterung des ersten Pfingsttages erzählt.
Und ganz wie wir von den ältesten Propheten Israels hören, da wo
Luthers Abersetzung von „rasen" und „weissagen" spricht. Nnd ganz so
schließlich, wie uns auch von den Priestern der Naturvölker berichtet wird.

Wie wir nun hier das Bild von der „Erschütterung" noch kennen und
brauchen, aber die Sache selbst, wo sie einmal vorkommt, wie in den Ge-
meinschaftsbewegungen vor anderthalb Iahrzehnten uns ganz fremdartig
und unerklärlich anblickt, ähnlich wird es mit anderen, vielleicht mit den
meisten der heiligen Vorstellungen und Handlungen zeitlich und räumlich
ferner Völker auch stehen. Wir werden ihr Verständnis nicht nur durch
Aufhäufung und Vergleichung gleichartiger Merkwürdigkeiten suchen
müssen, sondern vor allem durch Vergleichung der Bewegungen im eigenen
Gemütsleben, die ihnen entsprechen mögen.

Was den Tanz anbetrifft, so gehört der heilige Tanz sowieso in ähn-
liche Zusammenhänge wie die „Erschütterung". Sowohl der wilde als der
feierliche, ruhige. Der wilde, der von den Priestern des Baal in der Elias-

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