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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 6.1930

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Müller-Clemm, Wolfgang: Mannheim, Gründung und Bestimmung
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https://doi.org/10.11588/diglit.41983#0035

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in starren Bann. In ihren dumpfen Katen hocken die Bauern zum letzten
Male, während im prunkenden Friedrichsbau die Großen in eifriger Zuver-
ficht planen und bankettieren. Die Christmette vergeht, und das Iahr 1606
beginnt. Ianuar, Februar ziehen dahin. Mit dem endlichen März bricht auch
der Föhn ein, die Decke auf den Feldern zerschmelzend. Den Schnee löst
tagelang Regen ab, der Graupeln und Schloßen birgt. Stürme peitschen
die Erde wach, Wasserlachen stehen wie Teiche so groß, dunkel und schwer
wachsen die Flüsse an den Äsern in die Höhe. Allmählich taut der Boden aus,
und der Spaten klirrt nicht mehr aus verborgenes Eis, sondern hebt speckig
und schwarz die duftende Erde aus. Run trottet des Schultheißen Reiter gen
Heidelberg zu, Pserdsbauch, Stiefel und Gurten voll Schmutz, um den Herren
zu melden, das Erdreich sei weich, der Bau könne beginnen.
Aeberlegt ist genug, die Tat kann folgen. 2lm 26. März bricht die Herr-
schaft in großer Begleitung zum Schlößchen nach Eicholzheim aus, um tags
darauf frühzeitig den Festplatz zu erreichen, aus dem der Grundstein versenkt
werden soll. Die Tage sind schlecht, unaufhörlich der Regen. An der weitesten
Rheinspitze, in beider Flüsse Sicht, errichten die Knechte ein blauweißes Gezelt
mit allerlei Fähnlein daran, fröhlich zu wirken. Die Mannen fluchen dem
Wetter, fluchen der Leinwand, die sich im Sturm bauscht wie ein Segel vor
dem Wind. Kaum, daß die Knechte die Riemen halten und die Riemen das
Zelt. Aebel schüttet das klatschende Naß, böse ist der Wache unruhige Nacht.
Als am 27. März in erster Vormittagsstunde der Hof aufzieht, feierlich ge-
schmückt, ist des tollen Tages tollste Stunde und sehr viel Aberglaube in ihr.
Der Bauern Anken ist der Höflinge bänglicher Spott. Aber die Stadt ist
beschlossen, die Festung von Nöten, und der calvinische Kurfürst glaubt ohne
Erschütterung an seinen Gott. Als die Karossen halten, rasseln die Trommeln,
salutiert ein Piquet, die Bauern und Herren ziehen den Hut. Mühsam steigt,
von den Iunkern gestützt, der morsche Kurfürst aus seinem Wagen, die stille
Oranierin folgt und der Dauphin von der Pfalz, ein Knabe noch, eben aus
Frankreich zurückgekehrt. Die Herren und Fräuleins drängen nach, Schutz
suchend in dem triefenden Pavillon. Nach dem Choral tritt der ehrwürdige
Hosprediger Pitiscus vor, des wichtigen Tages Predigt zu halten. Diesmal
bläut er vergebens der durchnäßten Versammlung sein kräftiges Christentum
ein, denn der böige Sturm reißt ihm die Worte vom Mund, als Fetzen fliehen
sie über den kahlen Haag, wirbeln den sich beugenden Pappeln zu, eines spielt
hinter dem anderen her bis zum erlösenden Amen. Nach dem Prediger tritt
der Kurfürst aus dem Zelt. Er gräbt ein kleines Loch, in das auf des Bau-
leiters Wink Leute den gehöhlten Stein legen, der Kurprinz gibt Schrift und
goldene Münze ein, Höflinge schieben die Deckelplatte aus, und alle treten
hinzu, Erde auf das gebärende Grab zu schaufeln, daß schnell der ersten
Bastion Wall beginnt, den Platz zu sichern, „wo einst der erhabene Kaiser
Valentinian zum Angriff gegen die Germanen ein hohes und sicheres Boll-
werk für deren ersten Angriff gegründet hatte, das jedoch nicht immer in
römischer Gewalt blieb, sondern nicht lange daraus der Franken gerechten
Waffen weichen mußte, bekannt unter dem Namen Mannheim, und endlich
unter pfälzische Herrschaft kam."
Kurz sieht der Kurfürst dem emsigen Treiben zu, dann fährt die nasse
Kavalkade wieder gen Cicholzheim, an die bereiteten Tische, das Frösteln zu


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