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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 6.1930

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Müller-Clemm, Wolfgang: Mannheim, Gründung und Bestimmung
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https://doi.org/10.11588/diglit.41983#0037

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12. Zur Förderung des Tuchgewerbes errichtet die Regierung Walk-
mühlen zur freien Verfügung.
13. Zwei bis drei qualifizierte Söhne Mannheimer Bürger erhalten
kostenfreies Studium an der Universität Heidelberg bis einschl. zum Staats-
examen. Spätere Auslandstätigkeit soll unverwehrt bleiben.
Wie bereits oben angeführt, kann man die Lage der Stadt zwischen zwei
verkehrsreichen Flüssen als glänzend bezeichnen. Bis Heidelberg find es
zwei kleine Meilen neckaraufwärts, bis Frankenthal eine Meile rheinab-
wärts, bis Worms drei Meilen rheinabwärts, bis Oppenheim sieben Meilen
rheinabwärts, bis Mainz zehn Meilen rheinabwärts, bis Frankfurt eine
gute Tagereise zu Land, bis Speyer drei Meilen rheinaufwärts, bis Strah-
burg vierzehn Meilen rheinaufwärts.
Bei Zunahme der Bevölkerung find weitere Vergünstigungen in Aussicht
genommen. ^
Mannheim ist gegründet. Es mag ähnliche Vorgänge gleich hohen Alters
geben, sicher sind dekorativere erhalten, exakter berichtete, farbigere vollzogen,
aber kaum wird von einem fürstlichen Hof jener absolutistischen Zeit ein Ge-
dankengang von ebenso weitgesteckter, richtiger und merkantiler Voraussicht
in die Tat umgesetzt sein. Denn die Stadt an sich soll nichts anderes sein, als
das Nutzgärtlein des Landes. Die Welt von damals lobt die Privilegien, ihr
sind die Thesen ein Geschenk der Freiheit. Vielleicht wirken die mit der weit-
schweifigen Sprache um 1600 schwer verbrämten Sätze so freiheitlich, wie sie
gelobt zu werden pflegen, die Entkleideten entbehren solcher Ethik ganz gewiß.
Ist der leidenschaftliche Wille freiheitlicher Fürsorge der Grund zur Tat,
haben auch Heidelberg, Schwetzingen, Oppenheim, Alzey und die anderen
Städte im Land desselben Geschenkes Anrecht. And sicher ist, wer Freiheit
schenkt, gebraucht größere Geste. Das Recht dieser Zeit formt sich dem Willen
nach, und dieser Wille will kein weithin loderndes Fanal, genug ist ihm das
leichte Streifen an der Freiheit Sinn. Das Ziel des kurfürstlichen Hofes ist
auf Menschen gerichtet, auf Bewohner für eine neue Stadt, wer nimmt es
alsdann zu genau, ob Christen, ob Iuden, ob Heimische, ob Fremde, nur der
Fleißige gilt, Bauherr und Handelsmann. Nackt steht das Dokument vor uns,
ein eigensinniges Zweckdokument kaufmännischen Willens und Könnens.
Großartig ist seine lebendige Kraft, mit der es noch heute anspringt. Wie
hingezählte Silbertaler klirren die Sätze hintereinander her, sie geben, aber
sie nehmen sich auch, versteckt natürlich, wie es der Schlitzöhrige macht. Es
gilt Gut gegen Gut, Habe gegen Habe, obwohl Großmut die Parole ist. Fast
eilbotlich gelingt die Verbreitung. Im Viersprachendruck werfen sie den
Weckruf in die Welt. Das Angebot ist Sensation, der Anterschriststräger,
Kurfürst Friedrich von der Pfalz, in aller Mund. Mit seltenem Fleiß wird
die Verbreitung betrieben, Agenten, Beauftragte und Makler tummeln sich in
gleichem Dienst. An hundert Hausecken hängen die Titel, Plakate von Wir-
kung. Aeber Land und Länder ziehen die Zettel wie Vogelschwärme auf
ihrem Iahreswendezug. Den Rhein entlang, im Clevisch-Bergischen, bei den
Tuchwebern um Barmen, ist die Lockung groß. In Frankreich, England,
Polen, Portugal und Angarn zerpflücken Aufgeregte der vielen Sätze Sinn.
In Holland reicht der Exemplare Zahl nicht aus, immer neue Nachfrage

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