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Teil 1: Spätmittelalterliche Herrschertreffen
»datum« und nicht »datum et actum« verwendet/" Eine Rückdatierung ist für
Karl IV. nichts Ungewöhnliches, bediente er sich während seiner gesamten Re-
gierungszeit dieses Kunstgriffs.^
Die Frage, ob der Lehnseid des Dauphins als Reichsfürst nun geheim oder
gar nicht geleistet wurde, lässt sich schwer beantworten. Die sehr königstreuen
Grandes Chroniques schildern eine Szene, bei der Wenzel dem französischen
König einen besonderen Eid geleistet habe/" Es fielen die für Frankreich rele-
vanten Fachtermini einer Beleimung: Das Dienst- und Treueversprechen (0771g-
roz'f gf seruz'rozY) wurde in die Hand des Königs (en kz zzzczü Roy) und unter An-
rufung der Autorität des christlichen Glaubens (par so/oy) gegeben, Karl V. also
als Lehnsherr des römischen Königs, als dessen szzpzTzrzMS, präsentiert. So könn-
te dies eine besonders emphatische Form des Bündnis Versprechens gewesen
sein, die Karl IV. gewünscht und eingeleitet hatte. Doch konnte der gewandte
luxemburgische Politiker kein Bündnisversprechen seines Sohnes beabsichtigt
haben, das aussah wie ein Gehorsamseid, wie es in den Grandes Chroniques
dargestellt wird. So gibt einiges Anlass, diese dem französischen König sehr
schmeichelnde symbolische Geste als Stilisierung der Grandes Chroniques zu
verstehen. Der Autor des Berichtes über die Parisreise Karls IV. - und es ist
nicht auszuschließen, dass Karl V. passagenweise den Text selbst beeinflusste
- stellt einen Lehnseid ohne Gegenleistung dar. Das Verhältnis von Herrn und
Mann zeigt sich auch in der zeitgenössischen Illustration, in der Wenzel vor
dem König kniet und ihm die rechte Hand reicht/ ' Könnte für diese Beschrei-
bung einer feierlichen Eidesleistung gar nicht ein Akt von Wenzel, sondern der
des Dauphin verwendet worden sein? Durch die Annahme des Reichsvikariats
in der Dauphine durch den französischen Thronfolger war dieser zum Lehns-
mann des Kaisers geworden, keinesfalls aber Wenzel Lehensmann Karls V. von
Valois durch das Bündnisversprechen. Von einem Eid des Dauphin wird je-
doch im gesamten Bericht nichts erwähnt. Vielmehr wird bei der Begegnung
des Dauphin und Karls IV. am 10. Januar 1378 in Saint-Pol explizit vermerkt,
dass der französische Thronfolger nicht vor dem Kaiser gekniet habe, sondern
vor seinem Vater Karl V. von Frankreich. Zudem hätten sich der Dauphin und
der Kaiser zur Begrüßung geküsst, also einander ein Zeichen von Gleichran-
gigkeit oder zumindest Hochschätzung gegeben/" Wenn der Bericht der Gran-
des Chroniques stimmt, so sahen sich der Dauphin und der Kaiser nur beim
Domkapitels von Vienne (RI VIII, Nr. 5860) konnte der Rekognizionsvermerk nicht überprüft
werden.
70 Urkunden bei HECKMANN, Das Reichsvikariat, S. 90, 93, 96.
71 SEiBT, Karl IV., S. 150f.
72 Chronique des regnes de Jean II et de Charles V ed. Delachenal, Bd. 2, S. 264: EziAzaeafz'es yae
Ze Roy esfoz'f auec Z'Earyez'ear ezi sa cZiaztzZzzT, Ze roy As Rozzzzrzaz'zis ozaf, et sZ tost yae Z'Eazyez'eaz' Ze oz'f, ZZ
Z'ayeZa et Ze yz'z'sf yaz* Za zzzaiz-z, et Zaypisf yz'ozzzecfz'e, yar sa/by ezz Za azaza A; Roy yae z'Z az77eroz't, sez'uZeT'oZf
Aoazit Ions Zes yzAces A; zzzoaA et Zes eT-z/äis Az Roy aassZ.
73 Abbildung: Paris, BNF Ms. fr. 2813, fol. 478.
74 Chronique des regnes de Jean II et de Charles V, ed. Delachenal, Bd. 2, S. 258: Et yaazrf ?Zz/AezA
oa Af EZosfeZ JSazA PolJ Jasyaes oa ?AZz'ea A Za coart, Ze AZyZzzA azaszie p'Zs Az Roy, et zMozMeigz^M?'
Eoys, coz7te A PaZoz's, ezpazzs cta Roy, so age;7oaZZez'eaf cozzfre Ze Roy cf ayz'es aZereA saZae?* Z'Ezayereaz'
ezz sa cfraieTV oa ozi Ze yozAZt, et Zes fzaz'sa et osfa soa eZzayerozi.
Teil 1: Spätmittelalterliche Herrschertreffen
»datum« und nicht »datum et actum« verwendet/" Eine Rückdatierung ist für
Karl IV. nichts Ungewöhnliches, bediente er sich während seiner gesamten Re-
gierungszeit dieses Kunstgriffs.^
Die Frage, ob der Lehnseid des Dauphins als Reichsfürst nun geheim oder
gar nicht geleistet wurde, lässt sich schwer beantworten. Die sehr königstreuen
Grandes Chroniques schildern eine Szene, bei der Wenzel dem französischen
König einen besonderen Eid geleistet habe/" Es fielen die für Frankreich rele-
vanten Fachtermini einer Beleimung: Das Dienst- und Treueversprechen (0771g-
roz'f gf seruz'rozY) wurde in die Hand des Königs (en kz zzzczü Roy) und unter An-
rufung der Autorität des christlichen Glaubens (par so/oy) gegeben, Karl V. also
als Lehnsherr des römischen Königs, als dessen szzpzTzrzMS, präsentiert. So könn-
te dies eine besonders emphatische Form des Bündnis Versprechens gewesen
sein, die Karl IV. gewünscht und eingeleitet hatte. Doch konnte der gewandte
luxemburgische Politiker kein Bündnisversprechen seines Sohnes beabsichtigt
haben, das aussah wie ein Gehorsamseid, wie es in den Grandes Chroniques
dargestellt wird. So gibt einiges Anlass, diese dem französischen König sehr
schmeichelnde symbolische Geste als Stilisierung der Grandes Chroniques zu
verstehen. Der Autor des Berichtes über die Parisreise Karls IV. - und es ist
nicht auszuschließen, dass Karl V. passagenweise den Text selbst beeinflusste
- stellt einen Lehnseid ohne Gegenleistung dar. Das Verhältnis von Herrn und
Mann zeigt sich auch in der zeitgenössischen Illustration, in der Wenzel vor
dem König kniet und ihm die rechte Hand reicht/ ' Könnte für diese Beschrei-
bung einer feierlichen Eidesleistung gar nicht ein Akt von Wenzel, sondern der
des Dauphin verwendet worden sein? Durch die Annahme des Reichsvikariats
in der Dauphine durch den französischen Thronfolger war dieser zum Lehns-
mann des Kaisers geworden, keinesfalls aber Wenzel Lehensmann Karls V. von
Valois durch das Bündnisversprechen. Von einem Eid des Dauphin wird je-
doch im gesamten Bericht nichts erwähnt. Vielmehr wird bei der Begegnung
des Dauphin und Karls IV. am 10. Januar 1378 in Saint-Pol explizit vermerkt,
dass der französische Thronfolger nicht vor dem Kaiser gekniet habe, sondern
vor seinem Vater Karl V. von Frankreich. Zudem hätten sich der Dauphin und
der Kaiser zur Begrüßung geküsst, also einander ein Zeichen von Gleichran-
gigkeit oder zumindest Hochschätzung gegeben/" Wenn der Bericht der Gran-
des Chroniques stimmt, so sahen sich der Dauphin und der Kaiser nur beim
Domkapitels von Vienne (RI VIII, Nr. 5860) konnte der Rekognizionsvermerk nicht überprüft
werden.
70 Urkunden bei HECKMANN, Das Reichsvikariat, S. 90, 93, 96.
71 SEiBT, Karl IV., S. 150f.
72 Chronique des regnes de Jean II et de Charles V ed. Delachenal, Bd. 2, S. 264: EziAzaeafz'es yae
Ze Roy esfoz'f auec Z'Earyez'ear ezi sa cZiaztzZzzT, Ze roy As Rozzzzrzaz'zis ozaf, et sZ tost yae Z'Eazyez'eaz' Ze oz'f, ZZ
Z'ayeZa et Ze yz'z'sf yaz* Za zzzaiz-z, et Zaypisf yz'ozzzecfz'e, yar sa/by ezz Za azaza A; Roy yae z'Z az77eroz't, sez'uZeT'oZf
Aoazit Ions Zes yzAces A; zzzoaA et Zes eT-z/äis Az Roy aassZ.
73 Abbildung: Paris, BNF Ms. fr. 2813, fol. 478.
74 Chronique des regnes de Jean II et de Charles V, ed. Delachenal, Bd. 2, S. 258: Et yaazrf ?Zz/AezA
oa Af EZosfeZ JSazA PolJ Jasyaes oa ?AZz'ea A Za coart, Ze AZyZzzA azaszie p'Zs Az Roy, et zMozMeigz^M?'
Eoys, coz7te A PaZoz's, ezpazzs cta Roy, so age;7oaZZez'eaf cozzfre Ze Roy cf ayz'es aZereA saZae?* Z'Ezayereaz'
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