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Weber, Ines [Hrsg.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Ein Gesetz für Männer und Frauen: die frühmittelalterliche Ehe zwischen Religion, Gesellschaft und Kultur — Mittelalter-Forschungen, Band 24,1: Ostfildern, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.34905#0101

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III. Die Eheschließung als Vertrags- und
Kommunikationsgeschehen unter Gleichen

Anhand des Briefes von Papst Nikolaus konnte bereits rekonstruiert werden, wie
eine Ehe in der westlichen Kirche Mitte des 9. Jahrhunderts offenbar geschlossen
worden ist: Auf die vertraglich besiegelte Verlobung (&spowsoü'o), die den Konsens
der Brautleute genauso wie den ihrer Verwandten voraussetzt und die mit der orräo
in Form eines Siegelringes bestätigt wird, folgt die Übergabe der dos an die Braut,
die ebenfalls von beiden Seiten beschlossen und vertraglich fixiert wird. Im An-
schluss oder auch mit zeitlichem Abstand an diese als weltlich zu geltenden Forma-
lia werden die Brautleute vom Priester zusammen mit den Opfergaben in die Kir-
che geführt. Über das Brautpaar wird nach dem Vorbild von Adam und Eva (Gen
l,22f) der Segen gesprochen, weil auch Tobias und Sara vor ihrer ersten gemeinsa-
men Nacht Gott im Gebet gepriesen haben (Tob 8,4-8). Ist es die erste Eheschlie-
ßung der jeweiligen Partner, werden sie zudem mit einem Schleier als Zeichen der
Jungfräulichkeit verhüllt. Beim Auszug aus der Kirche tragen sie Kronen/

1. Die Eheschließung als Kontrakt

Dieses Ritual ist als Ganzes weder in der konziliaren noch in der paenitentialem
Gesetzgebung nachzuweisen. Über die Beteiligung der jeweiligen Verwandten und
der Brautleute hinaus finden sich lediglich vereinzelte Hinweise auf die Zahlung
der Braut- bzw. Ehegabe in Form einer dos oder eines pocMÜMmd Es sind die Leges
und die Formulae, aus denen jenes Verfahren größtenteils zu erschließen ist, das
Papst Nikolaus beschreibt. Die Überlegungen zum Konsens haben gezeigt, dass bei
der Eheschließung auf der einen Seite offenbar gleichrangige Partner miteinander
in Kommunikation treten. Dieser Gleichheit scheint auf der anderen Seite zunächst
zu widersprechen, dass an einzelnen Stellen des Verfahrens vornehmlich männli-
che Familienmitglieder agieren. Angesichts dieses Befundes stellt sich die Frage, ob
sich derartige Konstellationen auch im übrigen Hochzeitsgeschehen finden und
welche Bedeutung ihnen zukommt. Anders gesagt: Wie können männlich domi-
nierte Symbolhandlungen überhaupt eine Gleichheit aller Beteiligen zu erkennen
1 Vgl. Teil A, 1.2, S. 39-46.
2 Einzige Ausnahme: vgl. Paenitentiale Martenianum c. 37 (ed. VON HÖRMANN), S. 377 [Anhang P
285,1, S. 272].
3 Zum Gesamtproblem der Braut- bzw. Ehegabe vgl. Teil A, IV S. 117-150.
 
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