V. Außereheliche Geschlechtsbeziehungen
1. Der >klassische< Ehebruch als Forschungsproblem
Im Prinzip und bis auf wenige Ausnahmen besteht in der Forschung grundsätzlich
Einigkeit: Das Christentum hat sich vor dem Hintergrund einer neutestamentlich
angezielten Gleichheit von Mann und Frau in der Frage des Ehebruchs von Anfang
an gegen das antike Denken gewehrt, indem es weder Mann noch Frau außereheli-
che Geschlechtsverhältnisse zugestand. Auch im Frühmittelalter ist es für eine sol-
che Gleichbehandlung der Ehepartner eingetreten. Inhaltlich sind diese Prämissen
auf je unterschiedliche Weise wirksam geworden mit der Konsequenz, dass bis in
die jüngsten Forschungen hinein Positionen auszumachen sind, die trotz gleicher
Quellengrundlage nicht konträrer ausfallen könnten. So resümiert der ausgewie-
sene Kanonist Rudolf Weigand für die kirchlichen Quellen des frühen Mittelalters,
dass »kein Unterschied zwischen dem Ehebruch des Mannes oder der Frau
gemacht«^ worden ist, wohingegen Andrea Esmyol ein »Scheitern der kirchlichen
Forderung nach einem egalitären Ehebruchverständnis bei Mann und Frau«' fest-
stellen kann. Die Ursachen dieser Differenzen liegen sowohl in der Methode und in
der Fragerichtung als auch in den frühmittelalterlichen Texten selbst begründet.
Um die Schwierigkeiten zu entschlüsseln und Alternativen aufzuzeigen, müssen
die Referenzpunkte der bisherigen Forschungen zunächst resümierend an den An-
fang gestellt werden.
a) Ein gewandeltes Ehebruchverständnis
Vor dem Hintergrund eines Familienmodells, welches das Verfügungsrecht des
Ehemannes über seine Gattin in den Vordergrund stellt, wertete sowohl das römi-
sche als auch das griechische Recht den Ehebruch als Eingriff in den Rechtsbereich
des Ehemannes. In der Konsequenz konnte ein verheirateter Mann immer nur die
fremde Ehe brechen, sodass außereheliche Geschlechtsverhältnisse auf Seiten des
Mannes nur sanktioniert wurden, wenn dieser in eine andere eheliche Verbindung
eingriff. Die Frau hingegen wendete sich in jedem Fall auch gegen ihre eigene Ehe,
mit der Folge, dass bei ihr jegliches außereheliche Verhältnis als Ehebruch judiziert
wurdet Uber den rechtlichen Bereich hinaus, der möglicherweise mit einer Störung
1 WEIGAND, Ehebruch, Sp. 1651.
2 EsMYOL, Geliebte, S. 98.
3 Vgl. DELLING, Ehebruch; vgl. WEIGAND, Ehebruch.
1. Der >klassische< Ehebruch als Forschungsproblem
Im Prinzip und bis auf wenige Ausnahmen besteht in der Forschung grundsätzlich
Einigkeit: Das Christentum hat sich vor dem Hintergrund einer neutestamentlich
angezielten Gleichheit von Mann und Frau in der Frage des Ehebruchs von Anfang
an gegen das antike Denken gewehrt, indem es weder Mann noch Frau außereheli-
che Geschlechtsverhältnisse zugestand. Auch im Frühmittelalter ist es für eine sol-
che Gleichbehandlung der Ehepartner eingetreten. Inhaltlich sind diese Prämissen
auf je unterschiedliche Weise wirksam geworden mit der Konsequenz, dass bis in
die jüngsten Forschungen hinein Positionen auszumachen sind, die trotz gleicher
Quellengrundlage nicht konträrer ausfallen könnten. So resümiert der ausgewie-
sene Kanonist Rudolf Weigand für die kirchlichen Quellen des frühen Mittelalters,
dass »kein Unterschied zwischen dem Ehebruch des Mannes oder der Frau
gemacht«^ worden ist, wohingegen Andrea Esmyol ein »Scheitern der kirchlichen
Forderung nach einem egalitären Ehebruchverständnis bei Mann und Frau«' fest-
stellen kann. Die Ursachen dieser Differenzen liegen sowohl in der Methode und in
der Fragerichtung als auch in den frühmittelalterlichen Texten selbst begründet.
Um die Schwierigkeiten zu entschlüsseln und Alternativen aufzuzeigen, müssen
die Referenzpunkte der bisherigen Forschungen zunächst resümierend an den An-
fang gestellt werden.
a) Ein gewandeltes Ehebruchverständnis
Vor dem Hintergrund eines Familienmodells, welches das Verfügungsrecht des
Ehemannes über seine Gattin in den Vordergrund stellt, wertete sowohl das römi-
sche als auch das griechische Recht den Ehebruch als Eingriff in den Rechtsbereich
des Ehemannes. In der Konsequenz konnte ein verheirateter Mann immer nur die
fremde Ehe brechen, sodass außereheliche Geschlechtsverhältnisse auf Seiten des
Mannes nur sanktioniert wurden, wenn dieser in eine andere eheliche Verbindung
eingriff. Die Frau hingegen wendete sich in jedem Fall auch gegen ihre eigene Ehe,
mit der Folge, dass bei ihr jegliches außereheliche Verhältnis als Ehebruch judiziert
wurdet Uber den rechtlichen Bereich hinaus, der möglicherweise mit einer Störung
1 WEIGAND, Ehebruch, Sp. 1651.
2 EsMYOL, Geliebte, S. 98.
3 Vgl. DELLING, Ehebruch; vgl. WEIGAND, Ehebruch.