VII. Die Ehe der Abhängigen innerhalb der frühmittelalterlichen Gesellschaft
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verwandtschaftliche Sukzession auf die Zukunft hin gesichert ist. Wird sie viertens
neuerlich als Person, also als getaufter Christ und damit nicht länger als Sache be-
trachtet, so muss ihr über diese ökonomischen Gründe hinaus sogar eine rechtsgül-
tige Ehe und nicht allein eine Geschlechtsgemeinschaft erlaubt sein.
Alles in allem stellt das oben beschriebene Abhängigkeitssystem mit seinen
ökonomischen, sozialen, besitz- und erbrechtlichen sowie religiösen Implikationen
ebenso einen Basisfaktor für das Eherecht dar wie die daraus entstandene spezifi-
sche Anordnung der^awüüa, die um den Herrn als neuen pater /aun'üas erweitert ist.
Dass sich dennoch herrschaftliche Interessen mit denen einer bäuerlichen Existenz-
sicherung nicht immer decken, ist offenkundig. Demnach bedarf auch das Eherecht
wie alle übrigen Bereiche menschlichen Zusammenlebens verschiedenster Regle-
mentierungen, um einen reibungslosen Ablauf im ökonomischen Zusammenspiel
der frühmittelalterlichen Gesellschaft langfristig zu sichern. Welche Rolle dabei die
christlichen Normen spielen, gilt es im Auge zu behalten.
Vor diesem Hintergrund seien nun die bisherigen Forschungspositionen zur
Eheschließung von abhängigen Personen näher betrachtet. Von hier aus kann dann
die Ausgangsthese für alle weiteren Überlegungen formuliert werden, um sich dar-
aufhin den Regeln der Eheschließung von Abhängigen im Kontext der oben be-
schriebenen Systeme zuzuwenden.
3. Die Ehe als notwendige Voraussetzung im Beziehungsnetz der
frühmittelalterlichen Gesellschaft
a) Die bisherigen Forschungspositionen und Desiderate
Das Zusammenleben von Herren und Abhängigen als eine Ober- und Unterord-
nung und damit als Repressionssystem zu verstehen, davor hat die neuere For-
schung vielfach gewarnt und auch das vorherige Kapitel hat die Unzulänglichkei-
ten einer solchen Kategorisierung nochmals herausgestellt. Für die Institution der
Ehe von abhängigen Personen aber ist dieser Konnex, der keineswegs zwingend ist,
bisher zu wenig berücksichtigt worden. Im Gegenteil sind auch hier die Zuschrei-
bungen nachzuweisen, die im Zusammenhang mit der Eheschließung im Allge-
meinen bereits anzutreffen waren:^ Der Herr bestimmt über das Leben seiner Ab-
hängigen; ohne seine Zustimmung sind diese handlungsunfähig. Demnach wird
das Faktum, dass der jeweilige Herr zur rechtsgültigen Eheschließung seine Zu-
stimmung erteilen muss, nach wie vor als Ausweis für die fortbestehende Minder-
stellung der abhängigen Personen angesehen und gilt bis heute als ein definitori-
sches Kriterium für den Sklaven- bzw. Abhängigen-StatusV Zwangsläufig ist die
181 Vgl. Teil A, I.l.c, S. 33-37 sowie Teil A, I.l.d, S. 37-39.
182 Vgl. LEBECQ, Sklave, Sp. 1977; David A.E. Pelteret macht jedoch für England darauf aufmerk-
sam, dass auch Sklaven Frau und Kinder, also eine Familie haben (vgl. PELTERET, Slavery,
S. 125). In gewisser Weise auch Pierre Bonnassie, der die Art der Strafe und die sexuellen Bezie-
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verwandtschaftliche Sukzession auf die Zukunft hin gesichert ist. Wird sie viertens
neuerlich als Person, also als getaufter Christ und damit nicht länger als Sache be-
trachtet, so muss ihr über diese ökonomischen Gründe hinaus sogar eine rechtsgül-
tige Ehe und nicht allein eine Geschlechtsgemeinschaft erlaubt sein.
Alles in allem stellt das oben beschriebene Abhängigkeitssystem mit seinen
ökonomischen, sozialen, besitz- und erbrechtlichen sowie religiösen Implikationen
ebenso einen Basisfaktor für das Eherecht dar wie die daraus entstandene spezifi-
sche Anordnung der^awüüa, die um den Herrn als neuen pater /aun'üas erweitert ist.
Dass sich dennoch herrschaftliche Interessen mit denen einer bäuerlichen Existenz-
sicherung nicht immer decken, ist offenkundig. Demnach bedarf auch das Eherecht
wie alle übrigen Bereiche menschlichen Zusammenlebens verschiedenster Regle-
mentierungen, um einen reibungslosen Ablauf im ökonomischen Zusammenspiel
der frühmittelalterlichen Gesellschaft langfristig zu sichern. Welche Rolle dabei die
christlichen Normen spielen, gilt es im Auge zu behalten.
Vor diesem Hintergrund seien nun die bisherigen Forschungspositionen zur
Eheschließung von abhängigen Personen näher betrachtet. Von hier aus kann dann
die Ausgangsthese für alle weiteren Überlegungen formuliert werden, um sich dar-
aufhin den Regeln der Eheschließung von Abhängigen im Kontext der oben be-
schriebenen Systeme zuzuwenden.
3. Die Ehe als notwendige Voraussetzung im Beziehungsnetz der
frühmittelalterlichen Gesellschaft
a) Die bisherigen Forschungspositionen und Desiderate
Das Zusammenleben von Herren und Abhängigen als eine Ober- und Unterord-
nung und damit als Repressionssystem zu verstehen, davor hat die neuere For-
schung vielfach gewarnt und auch das vorherige Kapitel hat die Unzulänglichkei-
ten einer solchen Kategorisierung nochmals herausgestellt. Für die Institution der
Ehe von abhängigen Personen aber ist dieser Konnex, der keineswegs zwingend ist,
bisher zu wenig berücksichtigt worden. Im Gegenteil sind auch hier die Zuschrei-
bungen nachzuweisen, die im Zusammenhang mit der Eheschließung im Allge-
meinen bereits anzutreffen waren:^ Der Herr bestimmt über das Leben seiner Ab-
hängigen; ohne seine Zustimmung sind diese handlungsunfähig. Demnach wird
das Faktum, dass der jeweilige Herr zur rechtsgültigen Eheschließung seine Zu-
stimmung erteilen muss, nach wie vor als Ausweis für die fortbestehende Minder-
stellung der abhängigen Personen angesehen und gilt bis heute als ein definitori-
sches Kriterium für den Sklaven- bzw. Abhängigen-StatusV Zwangsläufig ist die
181 Vgl. Teil A, I.l.c, S. 33-37 sowie Teil A, I.l.d, S. 37-39.
182 Vgl. LEBECQ, Sklave, Sp. 1977; David A.E. Pelteret macht jedoch für England darauf aufmerk-
sam, dass auch Sklaven Frau und Kinder, also eine Familie haben (vgl. PELTERET, Slavery,
S. 125). In gewisser Weise auch Pierre Bonnassie, der die Art der Strafe und die sexuellen Bezie-