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Weber, Ines [Hrsg.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Ein Gesetz für Männer und Frauen: die frühmittelalterliche Ehe zwischen Religion, Gesellschaft und Kultur — Mittelalter-Forschungen, Band 24,1: Ostfildern, 2008

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.34905#0184

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V. Außereheliche Geschlechtsbeziehungen

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Strafe stellen."" Über das Gesamt der Quellen hat sich schließlich gezeigt, dass auch
der Frau ein Recht auf Wiedergutmachung zusteht. Nicht ein »Gesellschaftsbild«
mit einem »Machtgefälle zwischen den Geschlechtern«,"" sondern die dem Frühmit-
telalter eigenen Kommunikationsstrukturen lassen vornehmlich den Mann ins
Blickfeld der Bestimmungen geraten. Das ist dann auch der Grund, warum sich
Hrabanus Maurus über eine Ungleichbehandlung der Geschlechter entsetzen muss.
Auch die übrigen frühmittelalterlichen Theologen setzen sich für eine Gleichheit
ein. Also ist die »kirchlicherseits angestrebte Einschränkung der sexuellen Vor-
rechte (auch verheirateter) freier Männer« nicht einfach »Makulatur«, weil »die
Keuschheit (auch unverheirateter) freier Frauen [...] ein bedeutender sozialer Topos
nicht nur in Schriftbelegen kirchlicher Provenienz«"" ist. Vielmehr sind die Ursa-
chen sowohl in der Besonderheit der Quellengattungen und ihrem Kommunikati-
onsrahmen begründet als auch in den frühmittelalterlichen Lebensverhältnissen,
die bestimmte Handlungsweisen eher zulassen als andere. In dieser Weise ist es
wenig sinnvoll, das landläufige Verständnis von Ehebruch an die frühmittelalterli-
chen Texte heranzutragen und weder konsequent nach Ehebruch und Unzucht
noch nach dem Status der Partner zu unterscheiden. Die spezielle Frage nach dem
Ehebruch von Frauen blendet die Männerperspektive zwangsläufig aus, sodass
übersehen werden muss, dass Beschränkungen auf weiblicher Seite mit denen auf
der männlichen korrespondieren."" Schließlich müssen auch die Männer in ihrem
Verhalten um die Familienehre besorgt sein.""
Um diese Beurteilungen weiter zu differenzieren, ist es notwendig, sich dem
außerehelichen Geschlechtsverhältnis über die Verflechtungen innerhalb von Ehe-
schließung und Konsensgedanken hinaus zuzuwenden.

3. Ein Kapitalverbrechen und seine Folgen

Sowohl innerhalb der frühmittelalterlichen synodalen und paenitentialen Gesetz-
gebung als auch innerhalb der Leges stellt das adMZfcn'Mm keineswegs ein lässliches
Vergehen dar. Vielmehr wird es immer wieder zusammen mit den Delikten ge-
nannt, die als Kapitalverbrechen und damit als schwere Sünde zu gelten haben.
Schließlich verbietet »nicht nur das Gesetz« den Ehebruch, »sondern auch die Auto-
rität des Evangeliums«."" In der Konsequenz trifft den Ehebrecher das gleiche harte
Strafmaß wie den Mörder, den Dieb und den Meineidigen."^ Oftmals kann das

88 Entgegen HARTMANN, Liebe, S. 195f.
89 EsMYOL, Geliebte, S. 105.
90 Ebd.,S. 105.
91 Entgegen Andrea Esmyol (vgl. ebd., S. 98).
92 Entgegen Andrea Esmyol (vgl. ebd., S. 1001).
93 Hrabanus Maurus, Poenitentium über ad Otgarium Cap. 3 (PL 112), Sp. 1406A1 [Anhang P 298,1,
S. 278].
94 Vgl. Capitulare Baiuvaricum a. 803? c. 5 (MGH.Cap 1), S. 159 [Anhang Cap 45, S. 188]; vgl. Judi-
cia Theodori G c. 98 (ed. FiNSTERWALDER), S. 263 [Anhang P 81, S. 224]; vgl. Judicia Theodori U
 
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