330 Vollgültige Ehe oder geduldete Geschlechtsbeziehung? - Das Recht der Abhängigen
sprechpartner nach der Heirat. Für den Schutz seiner scruz und awcz'Hac ist er ebenso
verantwortlich, wie er für die Vergehen derselben zur Rechenschaft gezogen wird.
Gleichzeitig ist er der Adressat für etwaige Ehrverletzungen, wenn seinen Unterge-
benen Gewalt angetan worden ist. Alles in allem passen sich diese Vorschriften in
die bereits beschriebene Oikonomia des Hauses ein.
2. Abhängige als rechtsfähige Personen
a) Die abhängige Frau als Konkubine?
Abschließend ist festzuhalten, dass die Texte bei der Bewertung von vor- und au-
ßerehelichen Delikten vom Grundsatz her keinen Unterschied zwischen freien und
abhängigen Personen machen, weder als Täter noch als Opfer. Diesen wie jenen
sind vor- und außereheliche Geschlechtsverhältnisse untersagt. Weil das Verhältnis
des Herrn zu seiner awcz'Ha ebenfalls verboten ist, wird der Argumentation, Letztere
qualifiziere sich allenfalls zur Konkubine, eine weitere Grundlage entzogen. Ledig-
lich in einer Bestimmung des Paenitentiale Pseudo-Theodori wird die awcz'Ha, mit
welcher der Herr ein Geschlechtsverhältnis unterhält, überhaupt als cowcMäma be-
zeichnet. Alle übrigen Bestimmungen greifen die entsprechenden Termini für die
abhängige Frau auf.
Der sozialrechtliche Status der Abhängigen wird erst im Kontext der Berech-
nung des Strafmaßes relevant und stellt nur eine von vielen Komponenten dar. Auf
Seiten des Opfers wird grundsätzlich nach dessen Rechtsstatus geurteilt, was zur
Folge hat, dass das Vergehen an der freien Frau höher zu büßen ist als das an der
Abhängigen. Anders geschieht es auf Seiten des Delinquenten. Hier verfahren vor
allem die Leges uneinheitlich. Einige veranschlagen die Strafe für den scruMS deut-
lich höher als die für den zwgcwMMS, andere jedoch auch niedriger. Am Gesamtbild
ändert das jedoch nichts, sodass die Bestimmungen den außerehelichen Vergehen
einen weiteren Baustein hinzufügen: Auch die Vergehen mit und an Abhängigen
müssen dazu gezählt werden?"
Indem die Texte geschlechtliche Vergehen mit und an Abhängigen als Delikt-
fälle brandmarken, verweisen sie nur nochmals auf die eingangs referierte These,
dass die Kirche im Frühmittelalter sich grundsätzlich um eine Besserstellung der
Hörigen bemüht, ohne grundsätzlich die Gliederung der Gesellschaft in Frage zu
stellen. Abhängige Personen, die in anderen Kulturkreisen zumeist legitim dem
willkürlichen Zugriff des jeweiligen Besitzers ausgeliefert sind, sollen besonders
geschützt werden. Was schon im ersten Teil der Arbeit im Zusammenhang von au-
ßerehelichen Geschlechtsverhältnissen festgestellt werden konnte, trifft auch für
eheliche Vergehen mit und unter Abhängigen zu. Unzuchtsvergehen mit einer Un-
tergebenen werden vornehmlich aus der Perspektive des Mannes geschildert. Ob
41 Vgl. Teil A, V, S. 151-191.
sprechpartner nach der Heirat. Für den Schutz seiner scruz und awcz'Hac ist er ebenso
verantwortlich, wie er für die Vergehen derselben zur Rechenschaft gezogen wird.
Gleichzeitig ist er der Adressat für etwaige Ehrverletzungen, wenn seinen Unterge-
benen Gewalt angetan worden ist. Alles in allem passen sich diese Vorschriften in
die bereits beschriebene Oikonomia des Hauses ein.
2. Abhängige als rechtsfähige Personen
a) Die abhängige Frau als Konkubine?
Abschließend ist festzuhalten, dass die Texte bei der Bewertung von vor- und au-
ßerehelichen Delikten vom Grundsatz her keinen Unterschied zwischen freien und
abhängigen Personen machen, weder als Täter noch als Opfer. Diesen wie jenen
sind vor- und außereheliche Geschlechtsverhältnisse untersagt. Weil das Verhältnis
des Herrn zu seiner awcz'Ha ebenfalls verboten ist, wird der Argumentation, Letztere
qualifiziere sich allenfalls zur Konkubine, eine weitere Grundlage entzogen. Ledig-
lich in einer Bestimmung des Paenitentiale Pseudo-Theodori wird die awcz'Ha, mit
welcher der Herr ein Geschlechtsverhältnis unterhält, überhaupt als cowcMäma be-
zeichnet. Alle übrigen Bestimmungen greifen die entsprechenden Termini für die
abhängige Frau auf.
Der sozialrechtliche Status der Abhängigen wird erst im Kontext der Berech-
nung des Strafmaßes relevant und stellt nur eine von vielen Komponenten dar. Auf
Seiten des Opfers wird grundsätzlich nach dessen Rechtsstatus geurteilt, was zur
Folge hat, dass das Vergehen an der freien Frau höher zu büßen ist als das an der
Abhängigen. Anders geschieht es auf Seiten des Delinquenten. Hier verfahren vor
allem die Leges uneinheitlich. Einige veranschlagen die Strafe für den scruMS deut-
lich höher als die für den zwgcwMMS, andere jedoch auch niedriger. Am Gesamtbild
ändert das jedoch nichts, sodass die Bestimmungen den außerehelichen Vergehen
einen weiteren Baustein hinzufügen: Auch die Vergehen mit und an Abhängigen
müssen dazu gezählt werden?"
Indem die Texte geschlechtliche Vergehen mit und an Abhängigen als Delikt-
fälle brandmarken, verweisen sie nur nochmals auf die eingangs referierte These,
dass die Kirche im Frühmittelalter sich grundsätzlich um eine Besserstellung der
Hörigen bemüht, ohne grundsätzlich die Gliederung der Gesellschaft in Frage zu
stellen. Abhängige Personen, die in anderen Kulturkreisen zumeist legitim dem
willkürlichen Zugriff des jeweiligen Besitzers ausgeliefert sind, sollen besonders
geschützt werden. Was schon im ersten Teil der Arbeit im Zusammenhang von au-
ßerehelichen Geschlechtsverhältnissen festgestellt werden konnte, trifft auch für
eheliche Vergehen mit und unter Abhängigen zu. Unzuchtsvergehen mit einer Un-
tergebenen werden vornehmlich aus der Perspektive des Mannes geschildert. Ob
41 Vgl. Teil A, V, S. 151-191.