VI.Inzest
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mütterlichen Ururgroßmutter und des mütterlichen Ururgroß vaters.«^ »Von den
Personen des siebten Grades, welche vom Gesetz nicht erfasst werden können.«
Nun bricht auch das elaborierte Bezeichnungssystem der Lex Visigothorum zusam-
men, denn: »Blutsverwandte der väterlichen und der mütterlichen Linie des siebten
Grades können in der geraden Linie nach oben oder unten nicht mehr mit besonde-
ren Namen benannt werden.« Anders in horizontaler Linie: »Aber in der Seitenlinie
sind inbegriffen des Bruders oder der Schwester Urururenkel oder Urururenkelin-
nen und Söhne und Töchter von Cousins oder Cousinen zweiten Grades. Für die
Erbfolge sind deshalb sieben Grade gesetzt, weil nach der Natur der Sache darüber
hinaus weder Namen gefunden werden können, noch das Leben den Folgeberech-
tigten vermittelt werden kann.«"
Diese eindeutige Umgrenzung eines Personenkreises, der ausgehend von einer
Person, dem Ego, sieben Grade väterlicher- und mütterlicherseits sowohl in auf- und
absteigender Linie als auch in der Seitenlinie umfasst, steht ganz offensichtlich -
mindestens im westgotischen, aber auch im langobardischen Recht - den frühmit-
telalterlichen Verwandtschaftskreis dar: »Ahe Verwandtschaft (pamwfcZa) wird bis
ins siebte Glied benannt«". Damit bestätigt sich, was die französische Verwandt-
schaftsforschung seit Jahren hervorhebt und von der deutschen nur langsam adap-
tiert wird: »Im ganzen Zeitraum des mittelalterlichen Okzidents war Abstammung
kognatischer Natur, das heißt, dass sie gleichermaßen in weiblicher wie in männli-
cher Linie wahrgenommen wird.«" Wenn der frühmittelalterliche Mensch im west-
gotischen Rechtskreis also von seinen Verwandten spricht, ist es dieser Personen-
kreis, den er vor Augen hat. Innerhalb dieser Gruppe könnte die Eheschließung
verboten sein, hier wird aber auch geerbt. Demnach gilt es nun zu fragen, welche
dieser Personen nach den frühmittelalterlichen Bestimmungen tatsächlich vom In-
zest betroffen sind und damit, ob Verwandtschaft nach den übrigen Quellen nicht
noch umfassender gedacht wird.
3. Der tabuisierte Personenkreis
Die frühmittelalterlichen Texte verfolgen unterschiedliche Strategien, um die Per-
sonenkreise abzustecken, die vom Inzesttabu betroffen sind. Sie kennen sowohl die
namentliche Bezeichnung als auch die kumulative Aufzählung der Grade. Der
Übersichtlichkeit halber werden im Folgenden die namentlich genannten Personen
nach ihrer Zuordnung zum Ego getrennt.
59 Ebd. IVL6 (MGH.LNG 1), S. 172 [Anhang L135, S. 50].
60 Ebd. IVL7 (MGH.LNG 1), S. 1721 [Anhang L136, S. 501].
61 Edictus Rothari 153 (MGH.F 2), S. 31 [Anhang L 137,2, S. 52].
62 ALTHOFF, Verwandte, S. 35.
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mütterlichen Ururgroßmutter und des mütterlichen Ururgroß vaters.«^ »Von den
Personen des siebten Grades, welche vom Gesetz nicht erfasst werden können.«
Nun bricht auch das elaborierte Bezeichnungssystem der Lex Visigothorum zusam-
men, denn: »Blutsverwandte der väterlichen und der mütterlichen Linie des siebten
Grades können in der geraden Linie nach oben oder unten nicht mehr mit besonde-
ren Namen benannt werden.« Anders in horizontaler Linie: »Aber in der Seitenlinie
sind inbegriffen des Bruders oder der Schwester Urururenkel oder Urururenkelin-
nen und Söhne und Töchter von Cousins oder Cousinen zweiten Grades. Für die
Erbfolge sind deshalb sieben Grade gesetzt, weil nach der Natur der Sache darüber
hinaus weder Namen gefunden werden können, noch das Leben den Folgeberech-
tigten vermittelt werden kann.«"
Diese eindeutige Umgrenzung eines Personenkreises, der ausgehend von einer
Person, dem Ego, sieben Grade väterlicher- und mütterlicherseits sowohl in auf- und
absteigender Linie als auch in der Seitenlinie umfasst, steht ganz offensichtlich -
mindestens im westgotischen, aber auch im langobardischen Recht - den frühmit-
telalterlichen Verwandtschaftskreis dar: »Ahe Verwandtschaft (pamwfcZa) wird bis
ins siebte Glied benannt«". Damit bestätigt sich, was die französische Verwandt-
schaftsforschung seit Jahren hervorhebt und von der deutschen nur langsam adap-
tiert wird: »Im ganzen Zeitraum des mittelalterlichen Okzidents war Abstammung
kognatischer Natur, das heißt, dass sie gleichermaßen in weiblicher wie in männli-
cher Linie wahrgenommen wird.«" Wenn der frühmittelalterliche Mensch im west-
gotischen Rechtskreis also von seinen Verwandten spricht, ist es dieser Personen-
kreis, den er vor Augen hat. Innerhalb dieser Gruppe könnte die Eheschließung
verboten sein, hier wird aber auch geerbt. Demnach gilt es nun zu fragen, welche
dieser Personen nach den frühmittelalterlichen Bestimmungen tatsächlich vom In-
zest betroffen sind und damit, ob Verwandtschaft nach den übrigen Quellen nicht
noch umfassender gedacht wird.
3. Der tabuisierte Personenkreis
Die frühmittelalterlichen Texte verfolgen unterschiedliche Strategien, um die Per-
sonenkreise abzustecken, die vom Inzesttabu betroffen sind. Sie kennen sowohl die
namentliche Bezeichnung als auch die kumulative Aufzählung der Grade. Der
Übersichtlichkeit halber werden im Folgenden die namentlich genannten Personen
nach ihrer Zuordnung zum Ego getrennt.
59 Ebd. IVL6 (MGH.LNG 1), S. 172 [Anhang L135, S. 50].
60 Ebd. IVL7 (MGH.LNG 1), S. 1721 [Anhang L136, S. 501].
61 Edictus Rothari 153 (MGH.F 2), S. 31 [Anhang L 137,2, S. 52].
62 ALTHOFF, Verwandte, S. 35.