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Weber, Ines [Hrsg.]
Ein Gesetz für Männer und Frauen: die frühmittelalterliche Ehe zwischen Religion, Gesellschaft und Kultur — Mittelalter-Forschungen, Band 24,1: Ostfildern, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.34905#0340

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X. Vor- und außereheliche Delikte als Indikator
des Rechtsstatus

1. Geschlechtliche Vergehen

a) An einer abhängigen Frau
Über alle Quellengattungen hinweg wird dem geschlechtlichen Verhältnis zu einer
abhängigen Frau, sei es zu einer eigenen oder zu einer fremden, höchste Aufmerk-
samkeit geschenkt. Indem die frühmittelalterlichen Texte die scrua und awcz'Ha nicht
einfach in die Reihe der Mxor (alfcn'Ms), WMÜ'cr, Argo und A&M eingliedern, sondern
diese eigens benennen, messen sie ihr einen besonderen Stellenwert in zweierlei
Hinsicht zu. Erstens scheint sie so schutzwürdig zu sein, dass es keinesfalls aus-
reicht, sie kumulativ in der Benennung der übrigen weiblichen Personen aufgehen
zu lassen. Es sei daran erinnert, dass im römischen Recht die geschlechtlichen Ver-
hältnisse des Herrn zu seinen Sklavinnen keineswegs als adM/fcnum galten, viel-
mehr waren sie dem Mann zugestandene legitime außereheliche Geschlechtsver-
hältnisse. Im frühen Mittelalter aber ändert sich das. Zweitens ist auch bei den
geschlechtlichen Vergehen an Abhängigen das wichtig, was sich im Kontext aller
Delikte immer wieder zeigt: Das Strafmaß ist unter anderem vom Status der invol-
vierten Personen abhängig: »Wenn ein Verheirateter mit seiner abhängigen Frau ge-
schlafen hat, soll er ein Jahr Buße tun und im zweiten Jahr drei 40tägige Fastenzei-
ten [Buße tun] und die kirchlich festgesetzten Fastentage [einhalten] und er soll sich
[darüber hinaus] in den ersten drei Monaten von seiner Frau enthalten. Jene aber,
der es schuldlos widerfahren ist, soll 40 Tage [Buße tun]; wenn es in Übereinstim-
mung geschehen ist, soll sie drei 40tägige Fastenzeiten [Buße tun] und dazu die
kirchlich festgesetzten Fastentage [einhalten].«^ Demnach gehen die verschiedenen
Bußbücher mit dem Vergehen an einer abhängigen Frau genauso um wie mit allen
übrigen ehelichen Delikten. Denn es folgen im Grundsatz dieselben Strafen: Ist der
Mann verheiratet, muss er sich von seiner Ehefrau enthaltene Auch die awcz'Ha muss
büßen, wenngleich mit 40 Tagen um einiges geringer als der Ehemann. Hat sie je-
doch zugestimmt, büßt sie dreimal 40 Tage. Hat sich sogar die Ehefrau mit der Tat
einverstanden erklärt, folgt für sie exakt die gleiche Strafe wie für den Ehemann.
Das heißt, dass die Bußbücher erneut minuziös das Vergehen rekonstruieren und je
nach Art der Beteiligung bestrafen. In der Höhe, aber nicht in der Art, unterscheidet
1 Paenitentiale Pseudo-Theodori IV,19,7 (ed. WASSERsenLEBEN), S. 581 [Anhang P 313, S. 286].
2 Vgl. Paenitentiale Finniani c. 39 (S) (ed. BiELER), S. 88 [Anhang P 4, S. 210]; vgl. ebd. c. 40 (S) (ed.
BiELER), S. 88 [Anhang P 6, S. 210].
 
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