324 Vollgültige Ehe oder geduldete Geschlechtsbeziehung? - Das Recht der Abhängigen
dürfte der Erbfall keineswegs eingetreten sein. Dann verliert die Tochter mit der
Heirat des scruMS sämtliche Ansprüche auf ein künftiges Erbe.
Die Vorschrift verweist auf die Gratwanderung zwischen den Interessenlagen
der beteiligten Personen; so gut es geht, gleicht sie zwischen ihnen aus, denn dreier-
lei ist erreicht. Erstens: Dem domüiMS bleibt nicht nur die Verfügungsgewalt über
seine awcz'Ha bzw. seinen scruMS erhalten, sondern ebenso deren Arbeitskraft. Zudem
bekommt er mit dem Gatten - gerade unabhängig vom Geschlecht - eine weitere
Arbeitskraft hinzu; die Bewirtschaftung des Gutes kann als gesichert gelten. Zwei-
tens: Die familiären Vermögenswerte sind vor einem weitgehenden Zugriff Dritter
geschützt. Das gilt sowohl für fremde Personen in Form des Herrn oder unbeteilig-
ter Dritter - das aläyMZS macht eine genauere Identifikation nicht möglich - als auch
für die künftige Verwandtschaft der Braut als ihre Erben, die ihrerseits das Vermö-
gen in Richtung des Herrschaftsbereiches des dowüwMS verschieben würden.^ Was
zunächst nach rigiden Vorschriften klingt, die bestimmte Personen sogar vom Erbe
ausschließen wollen, kann aus der Perspektive der Betroffenen überaus sinnvoll
und erstrebenswert sein. Auf diese Weise ist es möglich, z. B. nicht versorgten Ver-
wandtschaftsmitgliedern - seien es nachgeborene Söhne oder Töchter - durch Aus-
heirat eine ökonomische Versorgung innerhalb einer anderen Herrschaft zu sichern.
Drittens und letztens werden erneut alle rechtlichen Probleme einzig auf der
Grundlage des Status der betroffenen Personen gelöst. An keiner Stelle werden Un-
terschiede zwischen Mann und Frau gemacht, was aufgrund der sozialen Gegeben-
heiten auch nicht sinnvoll wäre, ein Umstand, der sich bis in die Frage nach der
Vormundschaft auswirkt.
b) Die Abhängigenehe zwischen begüterter und nicht-begüterter Konsensehe
Ob die Abhängigenehe nun als begüterte oder nicht-begüterte Konsensehe ge-
schlossen wird, kann nicht abschließend geklärt werden. In zwei Richtungen haben
sich Andeutungen ergeben. Zum einen scheint die Gabe bei einer Eheschließung,
an der ein üäcrfMs/eine Eäcrfa oder ein aMms/eine aMz'a beteiligt ist, vom &WHÜMS ent-
richtet zu werden. Unklar ist, ob Ähnliches bei den Ehen der scruz und awczHac auch
gilt. Dagegen spricht nicht nur, dass das burgundische Recht gerade darauf verwie-
sen hatte, dass hier vermutlich keine Vermögenswerte entrichtet werden, was mit
den Ausführungen des Papstes Nikolaus kompatibel wäre. Auch die Bestimmun-
gen, die sich mit der Rückkehr einer awczHa in ihre Familie befasst haben, themati-
sieren den Rücktransfer der Braut- bzw. Ehegabe, wie es sonst üblich ist, nicht. We-
niger die Tatsache, dass ein solcher Transfer in diesen Fällen nicht notwendig ist, als
der Umstand, dass die Gabe aufgrund der wirtschaftlich schlechten Situation die-
ser Abhängigengruppe wahrscheinlich gar nicht erst gezahlt worden ist, lässt dar-
auf schließen, dass die Übergabe einer Braut- bzw. Ehegabe hier entfällt. Einzig
möglich wäre noch, dass ihr Wert symbolisch ersetzt wird. Dann jedoch verlöre sie
ihre eigentliche Funktion als Vermögens- und damit Versorgungswert.
89 Vgl. MüLLER-LiNDENLAUF, Eheauffassung, S. 209-211,213-216.
dürfte der Erbfall keineswegs eingetreten sein. Dann verliert die Tochter mit der
Heirat des scruMS sämtliche Ansprüche auf ein künftiges Erbe.
Die Vorschrift verweist auf die Gratwanderung zwischen den Interessenlagen
der beteiligten Personen; so gut es geht, gleicht sie zwischen ihnen aus, denn dreier-
lei ist erreicht. Erstens: Dem domüiMS bleibt nicht nur die Verfügungsgewalt über
seine awcz'Ha bzw. seinen scruMS erhalten, sondern ebenso deren Arbeitskraft. Zudem
bekommt er mit dem Gatten - gerade unabhängig vom Geschlecht - eine weitere
Arbeitskraft hinzu; die Bewirtschaftung des Gutes kann als gesichert gelten. Zwei-
tens: Die familiären Vermögenswerte sind vor einem weitgehenden Zugriff Dritter
geschützt. Das gilt sowohl für fremde Personen in Form des Herrn oder unbeteilig-
ter Dritter - das aläyMZS macht eine genauere Identifikation nicht möglich - als auch
für die künftige Verwandtschaft der Braut als ihre Erben, die ihrerseits das Vermö-
gen in Richtung des Herrschaftsbereiches des dowüwMS verschieben würden.^ Was
zunächst nach rigiden Vorschriften klingt, die bestimmte Personen sogar vom Erbe
ausschließen wollen, kann aus der Perspektive der Betroffenen überaus sinnvoll
und erstrebenswert sein. Auf diese Weise ist es möglich, z. B. nicht versorgten Ver-
wandtschaftsmitgliedern - seien es nachgeborene Söhne oder Töchter - durch Aus-
heirat eine ökonomische Versorgung innerhalb einer anderen Herrschaft zu sichern.
Drittens und letztens werden erneut alle rechtlichen Probleme einzig auf der
Grundlage des Status der betroffenen Personen gelöst. An keiner Stelle werden Un-
terschiede zwischen Mann und Frau gemacht, was aufgrund der sozialen Gegeben-
heiten auch nicht sinnvoll wäre, ein Umstand, der sich bis in die Frage nach der
Vormundschaft auswirkt.
b) Die Abhängigenehe zwischen begüterter und nicht-begüterter Konsensehe
Ob die Abhängigenehe nun als begüterte oder nicht-begüterte Konsensehe ge-
schlossen wird, kann nicht abschließend geklärt werden. In zwei Richtungen haben
sich Andeutungen ergeben. Zum einen scheint die Gabe bei einer Eheschließung,
an der ein üäcrfMs/eine Eäcrfa oder ein aMms/eine aMz'a beteiligt ist, vom &WHÜMS ent-
richtet zu werden. Unklar ist, ob Ähnliches bei den Ehen der scruz und awczHac auch
gilt. Dagegen spricht nicht nur, dass das burgundische Recht gerade darauf verwie-
sen hatte, dass hier vermutlich keine Vermögenswerte entrichtet werden, was mit
den Ausführungen des Papstes Nikolaus kompatibel wäre. Auch die Bestimmun-
gen, die sich mit der Rückkehr einer awczHa in ihre Familie befasst haben, themati-
sieren den Rücktransfer der Braut- bzw. Ehegabe, wie es sonst üblich ist, nicht. We-
niger die Tatsache, dass ein solcher Transfer in diesen Fällen nicht notwendig ist, als
der Umstand, dass die Gabe aufgrund der wirtschaftlich schlechten Situation die-
ser Abhängigengruppe wahrscheinlich gar nicht erst gezahlt worden ist, lässt dar-
auf schließen, dass die Übergabe einer Braut- bzw. Ehegabe hier entfällt. Einzig
möglich wäre noch, dass ihr Wert symbolisch ersetzt wird. Dann jedoch verlöre sie
ihre eigentliche Funktion als Vermögens- und damit Versorgungswert.
89 Vgl. MüLLER-LiNDENLAUF, Eheauffassung, S. 209-211,213-216.